Beachvolleyball Wie Düsseldorf zur Beachvolleyball-Hochburg wurde

Düsseldorf · Am Wochenende ging die Beach-Liga zu Ende. Vier Wochen lang spielten 16 Profi-Teams an der Arena in einem selbst kreierten Turnier. Das fand nicht zufällig in Düsseldorf statt.

Die späteren Siegerinnen Svenja Müller (r.) und Karla Borger von der DJK Tusa 06 bei der Beach-Liga im Schatten der Düsseldorfer Arena.

Foto: dpa/Marius Becker

Am Sonntagabend war alles vorbei. Endlich, wie Alexander Walkenhorst bereits einige Tage zuvor zugegeben hatte. Ein vierwöchiges Beachvolleyball-Turnier ist ja schon als Sportler anstrengend genug. Aber Walkenhorst war gleichzeitig auch Organisator. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Teamkollegen Daniel Wernitz und dem Sportmanager Constantin Adam hatte der 31-Jährige die Beach-Liga an der Arena auf die Beine gestellt. Und dafür sogar eine „niedrige fünfstellige Summe“ investiert, wie er der „FAZ“ sagte. Aber was tut man nicht alles, wenn einem Corona die Saison verhagelt und der eigene Verband nicht in der Lage ist, Alternativen zum gewöhnlichen Programm aus nationaler und internationaler Tour anzubieten?

Auf den in ihren Augen lethargischen Deutschen Volleyball-Verband sind sie ohnehin nicht gut zu sprechen. Daraus macht vor allem Walkenhorst kein Geheimnis. Also wurden er, Wernitz und Adam selbst aktiv, überlegten sich ein Turnierformat, sprachen Spielerinnen und Spieler an, schrieben ein Hygienekonzept, verhandelten mit der Stadt Düsseldorf, bauten den Platz um, suchten Sponsoren und entwickelten eine Medienstrategie.

Heraus kam etwas Einzigartiges im Beachvolleyball: ein wochenlanges Turnier ohne große Organisation im Hintergrund, bis auf die letzten Tage auch ohne Zuschauer am Platz, das aber dennoch funktionierte. „Wir überperformen“, sagte Walkenhorst. Was nicht übertrieben ist: Über die vier Wochen verzeichneten die Spiele der Beach-Liga mehr als 7,5 Millionen Videoabrufe im Internet. Die großen Zeitungen und TV-Sender berichteten. Sogar in Brasilien, dem Mutterland der Sportart, gab es reges Interesse am Beachvolleyball aus Düsseldorf. „Wir haben ein kleines Stück Sport-Geschichte geschrieben“, sagt Constantin Adam.

Geschafft haben die Macher das mit einer simplen wie revolutionären Idee: Sie suchten sich eine interaktive Streaming-Plattform und übertrugen die Spiele einfach selbst. Kostenlos für die Zuschauer. Zudem entwickelten sie ein Chatformat, das den Fans ermöglichte, mit den Sportlern ins Gespräch zu kommen. Statt mit Reportern quatschten die Aktiven nach ihren Spielen einfach virtuell mit den Zuschauern. Da ging es natürlich nicht nur um konkrete Aktionen im Spiel zuvor, sondern auch um Grundsätzliches. Weil die Beach-Liga bei Twitch übertragen wurde, wo das junge Publikum normalerweise Computerspielern zusieht, waren viele dabei, die noch nie in ihrem Leben Beachvolleyball gesehen hatten. Und trotzdem dabei blieben und sogar Geld daließen. Über einen Klick bei Twitch konnten die Fans spenden, das taten sie. Am Ende kamen mehr als 30 000 Euro zusammen, die als Preisgeld ausgeschüttet wurden.

Diverse Profis haben in Düsseldorf ihre sportliche Heimt gefunden

Ein Teil davon ging an Karla Borger und Svenja Müller von der DJK Tusa 06. „Ich bin schon etwas überwältigt. Dass es so viele Zuschauer werden, hätte ich nicht gedacht. Schön zu wissen, dass da so viele zuschauen“, sagte die Deutsche Meisterin dem „Deutschlandfunk“. Auch bei den Männern kamen die Düsseldorfer ins Finale, dort scheiterten Alexander Walkenhorst und Sven Winter nach drei Sätzen gegen die Berliner Max Betzien und Dirk Westphal.

Walkenhorst, Winter, Borger und Müller sind nicht die einzigen Beachvolleyball-Profis, die in Düsseldorf ihre sportliche Heimat gefunden haben. Diverse Teams starten mittlerweile bei nationalen wie internationalen Turnieren für die Landeshauptstadt, zudem gibt es rund 40 Jugendliche, die Beachvolleyball als Leistungssport betreiben. Binnen weniger Jahre hat sich Düsseldorf zu einer Topadresse in Deutschland entwickelt und „muss den Vergleich mit anderen Städten wie Hamburg nicht scheuen“, sagt Olympiasiegerin Kira Walkenhorst, die am Wochenende ebenfalls an den Rhein wechselte. Das mag auf den ersten Blick überraschen, Düsseldorf ist ja nicht zwingend für seine Sandstrände bekannt. Aber wer in der Lage ist, seit 1935 Eishockey anzubieten oder mit hunderten Tonnen Kunstschnee eine Langlaufloipe ans Rheinufer zu setzen, der kann auch ein paar Sandplätze mit Netz bauen.

Die gibt es vor allem in der Halle Mensch in Lierenfeld und bei der DJK Tusa 06 in Flehe. Wobei das eher zufällig kam. Zwar hatte die Tusa schon seit den 1990er-Jahren einen Beachvolleyballplatz auf ihrer Anlage, an Leistungssport dachte aber niemand. In der Regel nutzten ihn die Hallen-Volleyballer oder andere Mitglieder im Sommer für Hobbyspiele.

Der Umschwung kam 2017. Damals eröffnete der Klub die neue Flutlichtanlage für seinen Fußballplatz. Dazu kam auch Stadtdirektor Burkhard Hintzsche vorbei. „Als das Flutlicht anging, habe ich zu ihm gesagt: ,Schauen Sie mal, jetzt ist auch unser Beachvolleyplatz beleuchtet, auch hier könnten Sie etwas machen.’ Daraus hat sich dann ergeben, dass wir der Partnerverein des Düsseldorfer Olympiateams wurden“, sagt die Vereinsvorsitzende Ute Groth.

Groth hatte natürlich mitbekommen, dass die Stadt kurz zuvor Geld in die Hand genommen und ein Beachvolleyprojekt gestartet hatte. Hintzsche und Oberbürgermeister Thomas Geisel – stets auf der Suche nach Sportevents für das Stadtmarketing – waren während der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro auf die Idee gekommen, den populären Strandsport in Düsseldorf zu fördern. Seitdem lockt die Agentur Sportstadt Düsseldorf Profis in die Stadt, die über das Olympiateam finanziert werden, unterstützt Vereine und Hallenbetreiber beim Anlagenbau oder holt große Turnierserien wie die Deutschland-Tour auf den Burgplatz.

Anfangs fehlte noch ein passender Verein, um den vielen neuen Spielern eine dauerhafte Heimat bieten zu können. Dafür war sogar die Fortuna im Gespräch, nach dem Hamburger Vorbild, wo die Topathleten beim HSV spielen. Doch aus der Idee mit der Fortuna wurde nichts, stattdessen ging es nach Flehe. Inzwischen gibt es bei der Tusa vier Plätze und eine eigene Leistungssportabteilung mit speziell für dem Sand ausgebildeten Trainern, Profis und Dutzenden talentierten Jugendlichen aus ganz NRW.

Nachwuchs gewinnt nationale und internationale Medaillen

Die hat Stefanie Klatt nach Düsseldorf gelockt. Das Projekt ist so beliebt, dass es mittlerweile einen Aufnahmestopp gibt. Klatt, die bis vor wenigen Jahren Hüttermann hieß, ist selbst Profispielerin und arbeitet als Juniorprofessorin am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Sporthochschule Köln. Bei der Tusa firmiert sie als Managerin des Leistungsteams, das bereits zahlreiche Medaillen und Pokale eingefahren hat. Der Tusa-Nachwuchs gewann die U 18-EM und die Deutsche U 19-Meisterschaft sowie diverse Titel bei Landesmeisterschaften. Für den größten Erfolg bei den Erwachsenen sorgte Karla Borger mit ihrer Partnerin Julia Sude, die vergangenes Jahr Deutsche Meisterinnen wurden. Auch international stehen für die Olympiateilnehmerin von 2016 zahlreiche Top-Fünf-Platzierungen.

Das ist schon etwas Besonders für einen klassischen Stadtteilverein wie die Tusa. Und dabei soll es nicht bleiben: „Unser Ziel ist es, vermehrt Jugendliche aus der Umgebung in die Abteilung zu bekommen. Da hilft es uns natürlich, wenn wir durch unsere Profis Vorbilder für den Nachwuchs im Verein haben“, sagt Ute Groth. Zumal die Profis bei der Ausbildung der Jugend helfen.

Der Verein investiert für all das Geld und Zeit. Nur die Trainingsstätte für eine Gruppe Leistungssportler zu sein, die von der Stadt und Sponsoren bezahlt werden, würde nicht funktionieren. Zwar werden einige Profis über das städtische Olympiateam gefördert, bei den Jugendlichen sieht das aber anders aus. Trainer und Hallenmieten trägt der Verein, der auch bei den vielen Reisen durch ganz Deutschland oder den Anträgen und Anmeldungen für Wettkämpfe hilft. „Wir gucken natürlich, dass wir den größten Anteil über Sponsoren reinholen“, sagt Groth.

Dieses Jahr sollten eigentlich die ersten ganz großen Früchte der Arbeit geerntet werden. Bei den Olympischen Spielen von Tokio wäre die Tusa vertreten gewesen. Doch die Spiele wurden abgesagt. Wie auch nahezu alle anderen Turniere der Saison. Umso dankbarer waren die Aktiven, dass Alexander Walkenhorst und seine Mitstreiter die Beach-Liga erfanden. Und weil die so gut funktionierte, geht die Saison diese Woche gleich weiter. Über vier Wochenenden geht es um die Tickets für die Deutsche Meisterschaft im September am Timmendorfer Strand. Nicht ganz zufällig steigt die Qualifikation dafür in Düsseldorf.