Schauspielerin Judith Richter „Ich kann auch eine Drama-Queen sein“
Düsseldorf · Zwischen Theaterbühne und Powerwalking macht es sich Schauspielerin Judith Richter in Düsseldorf gemütlich.
Schon seit einigen Wochen bezaubert Judith Richter in „Das Brautkleid“ die Zuschauer im „Theater an der Kö“. Die Komödie von Stefan Vögel beginnt harmlos und nimmt eine stürmische Entwicklung mit überraschenden Wendungen. Frisch vermählt fiebert Juli der Hochzeitsnacht entgegen.
Doch dann entspinnt sich um den sündhaft teuren Traum in Weiß, den sie noch trägt, ein Streit mit ungeahnten Folgen. „René Heinersdorff hat dem Stück mit seiner genialen Handschrift noch etliche Finessen zugefügt“, erzählt Judith Richter. „Das Ganze hat etwas von einem herrlich skurrilen Märchen.“ Sie mag ihre Rolle, hat sie mit dem fast identischen Ensemble bereits über 125 Mal gespielt. „Es steckt das eine oder andere von mir in dieser Figur“, sagt sie. „Auch ich kann eine kleine Drama-Queen sein, habe wie sie etwas versteckt Kindliches, das ich aber auch niemals verlieren will. Und eine Romantikerin bin ich eigentlich auch. Aber zum Heiratsantrag hat es bis heute noch nicht gereicht. Ha!“
Mit Juli teile sie außerdem den trockenen Humor. „Da gibt es Sätze, die könnten von mir sein.“ Auf der Bühne fällt ihre spezielle Art von Komik auf: eher zurückhaltend und sehr fein. Spätestens hier kommt man an ihrer berühmten Mutter Beatrice Richter nicht vorbei, Comedy-Königin in unvergessenen Serien wie „Sketchup“ mit Diether Krebs. Und die beste Lehrerin ihrer Tochter, die das komödiantische Gen von beiden Eltern erbte. Auch Judiths verstorbener Vater Heinz Baumann, mit dem sie erst spät freundschaftlich zusammenwuchs, war darin ein Meister. „Eigentlich wollte ich als Schauspielerin die Gegenrichtung einschlagen und ins Dramafach“, sagt Judith Richter. „Doch dann zeigte sich schnell, dass mein besonderes Potenzial ebenfalls in der Komik liegt. Unfreiwillige Komik, nicht laut, sondern leise, bringt mich persönlich zum Schmunzeln. Die Kunst dabei ist das Gespür für Pointen und Pausen.“
Kaum eine TV-Serie, in der sie nicht gastierte. Fast immer war auch dort ihr komödiantisches Talent gefragt. „Obwohl ich liebend gern auch mal eine Psychopathin spielen oder einen Horrorfilm drehen würde“, ergänzt sie lachend. Judith Richter ist dankbar für ihre solide Karriere und das Glück, von ihrem Beruf seit fast 25 Jahren leben zu können. Selbst Corona ging glimpflich an ihr vorbei. In zwei Kinoproduktionen wirkte sie in dieser Zeit mit: „Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt“ und „Bibi und Tina – Einfach anders“ in der Regie von Detlef Buck.
„Jetzt liegt ein reichhaltiges Theaterjahr vor mir“, berichtet Judith Richter. Sie freut sich auf die Uraufführung von „Frost“ am 19. April am Winterhuder Fährhaus in Hamburg. „Ein unglaublich tolles Stück über einen patriarchalen Vater, der seiner Familie am 75. Geburtstag offenbart, er wolle sich nach seinem Tod einfrieren lassen. Das reißt das gesamte Familienkonstrukt auseinander.“ Den Vater spielt Dietrich Hollinderbäumer. Autor ist Richard Kropf, der für Netflix viel beachtete Serien wie „4 Blocks“ und „Kleo“ schrieb. Noch bis zum 4. Februar ist Judith Richter im „Theater an der Kö“ zu erleben. „Das Publikum hat viel Vergnügen an diesem kurzweiligen, frischen, unterhaltsamen Stück“, sagt die Schauspielerin. Eine künstlerische Herausforderung sei jedoch der Silvester-Marathon mit drei Aufführungen gewesen. „Der Wahnsinn“, seufzt sie. „Um Mitternacht mit den Zuschauern rüber zur Kö, zuprosten, Feuerwerk bestaunen, und wieder ab auf die Bühne.“
Mit Düsseldorf fühlt sie sich vertraut, was sie brauche, sei zu Fuß zu erreichen. Sie schätzt die japanischen Restaurants auf der Immermannstraße und genießt ab und zu eine Currywurst in der Berliner Ecke am Carlsplatz. Täglich macht Judith Powerwalking, am Rhein oder im Hofgarten. Langeweile kommt da nicht auf. „In unserem Beruf ist man viel unterwegs“, sagt sie. „Mir macht es Freude, regelmäßig die Städte zu wechseln. Nach einigen Wochen habe ich immer den Drang, wieder weiterzuziehen. Trotzdem kehre ich auch gerne zurück in mein Berliner Zuhause, meinen Hafen.“