Stadt-Teilchen Kino, ich bleibe dir treu und ich komme bald wieder

Düsseldorf. · Düsseldorfs Ausstattung mit Kinos ist gut, man muss sie nur öfter mal nutzen.

 Düsseldorfer verfügt über etliche Programmtkinos wie das Bambi an der Klosterstraße.

Düsseldorfer verfügt über etliche Programmtkinos wie das Bambi an der Klosterstraße.

Foto: Düsseldorfer Filmkunstkino

Ich war schon zu lange nicht mehr im Kino. Ich sollte öfter mal wieder die Fernbedienung aus der Hand legen und mir eine Auszeit in einem gemütlichen Kinosessel gönnen. Zu viel Netflix und zu viel Krimi und Quiz in ARD und ZDF tun mir nicht gut. Außerdem bin ich gerne unter Menschen, allerdings nur, wenn sie nicht gerade im Kino vor mir sitzen und von Natur aus einen Hauch zu groß geraten sind. Auch Chipstütenraschler mag ich nicht so sehr in meiner engeren Umgebung, und Menschen, die meinen, sie müssten ihrem Sitznachbarn jede Filmszene erklären, sind mir ein Gräuel.

Trotzdem würde ich mich nach wie vor als Kinofan bezeichnen, und als solcher finde ich, dass Düsseldorf nach wie vor über eine respektable Ausstattung mit Kinos verfügt. Die will ich künftig wieder verstärkt nutzen. Versprochen.

 WZ-Kolumnist

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Foto: NN

Ich muss nur noch kurz den Gedanken weglegen, dass Düsseldorf mal eine richtig große Kinostadt war, was natürlich nicht nur mit der puren Anzahl der Lichtspielhäuser zusammenhing, sondern auch mit der Tatsache, dass die Kinos größer waren oder mir wenigstens so vorkamen, weil ich halt kleiner war.

Kürzlich bin ich mal wieder über die Graf-Adolf-Straße geschlendert, und auf einmal war da wieder die Erinnerung an meine großen Kinozeiten. Ich stand vor dem Savoy und erinnerte mich, wie mich ein Kritikerfreund dort in den 80er Jahren immer vormittags in Pressevorführungen geschleust hat. Das war ein Fest für Augen und Ohren. Große Leinwand, großer Ton, alles groß, und im Riesensaal war ich quasi allein mit ein paar Schreiberlingen.

Das war im wahrsten Wortsinne ganz großes Kino. Kino nur für mich. Dementsprechend hatte es dann auch Wirkung auf meinen Emotionshaushalt. Bei „Flashdance“ habe ich am Schluss vor Rührung geheult, was mir bis heute ein bisschen albern vorkommt, und bei „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ habe ich mir vor lauter Aufregung beinahe in die Hose gemacht.

Jedes Mal wenn ich nun vor dem Savoy stehe, muss ich an „Flashdance“ und „Indiana Jones“ denken. Das ist jedes Mal ein sehr schönes Gefühl, weil es Kino in meinem Herzen immer wieder groß werden lässt, wenn ich ein Filmtheater fest mit einem bestimmten Titel verbinde.

Im Metropol habe ich beispielsweise „Der Schatz im Silbersee“ gesehen und Pierre Brice als Winnetou kennengelernt. Er war sofort mein Freund. Aber nicht nur er. Ich habe dort an der Brunnenstraße die Abenteuer von Lassie und Fury verfolgt im großen Metropol-Saal, der noch ebenerdig lag und nicht in den Keller verbannt war wie heute.

Wie oft habe ich vor den Schaufenstern gestanden und mir die Poster und Fotos der Filme angeschaut, mir daraus eine ganz eigene Geschichte gebastelt, mir vorgestellt, wie es in dem Film zugehen würde. Ich konnte gefühlt Stunden mit dem Anschauen von Plakaten und Fotos verbringen.

Irgendwann entdeckten wir als Kinder, dass etliche Filmverleihe Filialen an der Graf-Adolf-Straße hatten. Dort haben wir dann oft geklingelt und gefragt, ob sie nicht ein paar Fotos oder Plakate übrig hätten. Hatten sie oft, und mit der Zeit hortete ich wahre Schätze, die mir beim Verkauf heute bestimmt ein auskömmliches Dasein sichern könnten.

Leider existieren all diese Plakate und Fotos nicht mehr, weil meine Mutter sie der Mülltonne anvertraut hat. Auslöser dieses ungeheuren Frevels war der Umstand, dass von der Schule ein blauer Brief eingetrudelt war, der besagte, dass ich in Sachen Noten in diversen Fächern eher so eine Art sexy-Typ sei, dass also aufgrund vieler Sechsen Anlass zur Sorge bestand, dass ich das Klassenziel nicht erreichen würde.

Ich habe das Klassenziel dann tatsächlich nicht erreicht und bin sitzengeblieben. Trotzdem erachte ich die Vernichtung all der wichtigen Dokumente der Filmindustrie durch meine Mutter immer noch als großen Frevel. Sie war eine gute Frau, meine Mutter, aber das mit den Plakaten hätte sie nicht tun sollen.

Ohne Plakate blieb mir allerdings der Traum des an den zahlreichen Litfasssäulen ausgehängten Kinoprogramms. Wie umfangreich das damals war. Ich konnte ewig davor stehen und studieren, welcher Film wo lief, und ich wusste rasch alle Anfangszeiten auswendig.

Das hinderte mich indes nicht daran, vom häuslichen Telefon die Kinoprogrammansage anzurufen. Dort zählte eine freundliche Frauenstimme alle wichtigen Kinos und alle wichtigen Filme auf, natürlich mit den korrekten Anfangszeiten. Ich habe wegen zigfacher Wiederholung dieses Rituals ein Vermögen in die Anrufe bei dieser Ansage investiert, allerdings nicht mein Vermögen, sondern das meiner Eltern, die sich sicherlich so manches Mal über die Höhe unserer Telefonrechnung gewundert haben mögen, die aber niemals herausbekamen, dass ich es war, der die Kosten derart in die Höhe getrieben hatte. Ich war halt Kino-verrückt, und außerdem hatten sie ein bisschen Rache für die weggeworfenen Plakate verdient.

Ich ging auch gerne und oft ins Residenz, und ich weiß, dass ich dort „Alien“ gesehen habe. Oder besser gesagt: Ich habe „Alien“ dort zu großen Teilen nicht gesehen, weil ich den drohenden Horror nicht ausgehalten habe und deshalb mehrfach auf Tauchstation zwischen den Sitzen ging.

Auch das Rex am Bahnhof spielte eine große Rolle in meiner Kinogeschichte. Dort lief Mitte der 60er Jahre der zweite Beatles-Film „Help“, der auf schlecht Deutsch „Hi-Hi-Hilfe!“ hieß. Ich weiß noch, dass mein erster Versuch, den Film anzuschauen scheiterte, weil alles ausverkauft war und die Straße vor dem Rex schwarz vor lauter Menschen war, die alle wie ich reinwollten, aber nicht reinkamen.

Das Filmforum an der Prinz-Georg-Straße war ebenfalls lange eine gute Kinoadresse, weil man dort für kleines Geld Filme zu sehen bekam, die andere nicht zeigten, weil sie dachten, dass mit ihnen kein Gewinn zu machen sei. Viele Marx-Brothers-Werke habe ich dort gesehen. Hinterher bin ich dann oft wie benommen die lange Treppe vom Kinosaal herabgestiegen, natürlich nur, wenn es der Film geschafft hatte, mich kurzfristig in eine andere Welt zu katapultieren.

Ich entwickelte damals ein klares Filmbewertungssystem. Ging am Ende des Films das Licht an, und ich fragte mich für einen Moment, wo ich war, fiel die Bewertung positiv aus. Dann hatte mich das Erlebnis in eine andere Welt bugsiert.

Kino hat mich sehr oft in eine andere Welt bugsiert. Und auch wenn der Glanz von einst abgeblättert ist, wenn manche Programmkinos im Winter ruhig etwas früher mit dem Heizen beginnen könnten, wenn Popcorngeruch nicht zu meinen favorisierten Düften zählte, bleibt Kino für mich ein großes Ding.

Kino, ich bleibe dir treu, und ich komme bald wieder.