Düsseldorfs dienstälteste Bibliothekarin geht in Pension „Nur auf dem Sofa sitzen ist nix für mich“
Gerresheim · Bücher bestimmten ihr Leben die letzten 42 Jahre ebenso, wie die Menschen, die sie lesen. Marion Meier-Esser leitete seit 2008 die Stadtteilbücherei Gerresheim. Nun ist sie in den Ruhestand gegangen.
Der Abschied fällt ihr nicht leicht. Marion Meier-Esser ist gern morgens von Mörsenbroich nach Gerresheim gefahren, hat ihre Arbeit als Leiterin der Stadtteilbibliothek geliebt. Zu ihrer Abschiedsfeier im Ratinger Tragödchen waren sie alle da, die Weggefährt:innen, Kolleg:innen, Freunde und Familie.
Und nun? Was fängt Marion Meier-Esser an mit all der freien Zeit? „Nur auf dem Sofa sitzen und nichts tun, das ist nichts für mich“, sagt die 66-jährige. Sie will „auf jeden Fall den Lesezirkel im ZentrumPlus der Diakonie in Gerresheim weiterführen“ und kann sich vorstellen, auch andere kulturelle Aktivitäten in Angriff zu nehmen. Kreatives Schreiben zum Beispiel. Das hat die zweifache Mutter und inzwischen auch zweifache Großmutter immer fasziniert. „Die Möglichkeit, Menschen mit eigenen Texten zu unterhalten und zu begeistern finde ich spannend“, sagt sie.
Sechs Jahre lang hatte Marion Meier-Esser regelmäßig eine Bücherkolumne im Stadtteilmagazin „Der Gerresheimer“. Eine Aufgabe, die ihr sehr viel Spaß gemacht hat und das Lesen? Am Beginn ihrer Laufbahn als diplomierte Bibliothekarin, las sie hauptsächlich Sachbücher.
Mit 31 Jahren jüngste Leiterin einer Stadtteilbibliothek
Nachdem sie 1988 mit 31 Jahren, als jüngste Leiterin, die Stadtteilbibliothek Unterbach übernahm, änderte sich das. Wie es dazu kam, erzählt sie mit einem Schmunzeln: „Eine Leserin brachte mir ganz empört einen historischen Roman nach der Ausleihe zurück und bestand darauf, dass wir den Titel aus dem Bestand nehmen“. Neugierig geworden, ob das Buch wirklich so „skandalös“ sei, wie ihm unterstellt wurde, vertiefte sich Marion Meier-Esser in die Lektüre und befand: „Alles halb so wild und kein Grund, das Buch auszusortieren.“ Im Gegenteil, die Bibliothekarin war auf dem Geschmack gekommen. Von nun an, lagen auch Romane auf ihrem Nachttisch. Die größte Veränderung in ihrer Zeit als Bibliothekarin erlebte Marion Meier-Esser, als die Digitalisierung Einzug hielt. „Die Kataloge mit den Karteikarten wurden abgeschafft, die Ausleihe und Rückgabe gingen dank der Scanner schneller“. Die gewonnene Zeit nutzte die Bücherexpertin, um sich einer Aufgabe zu widmen, die sie „zu den wichtigsten einer Stadtteilbibliothek“ zählt: Kulturelle Angebote für die Menschen aus den umliegenden Quartieren. Fortan gab es Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Schreibworkshops und vieles mehr. „Es hat mir riesigen Spaß gemacht, herumzureisen und Autoren oder Musiker kennen zu lernen“, erinnert sie sich. Einer ihrer Lieblingsgäste war der Kabarettist Wilfried Schmickler. „Er hat Texte von Kollegen vorgelesen und ich kann bis heute nicht fassen, dass er gleich zugesagt hat, als ich angefragt habe“, freut sie sich.
Auf die Frage, wie sich das Leseverhalten in den letzten vier Jahrzenten verändert hat, bedauert die Bücherexpertin, dass „die Aufmerksamkeitsspanne kürzer geworden ist“. Natürlich seien mit der Zeit auch die Nutzerzahlen in den Bibliotheken zurückgegangen und doch sieht sie keineswegs pessimistisch in die Zukunft: „Junge Familien nutzen die Angebote der Stadtteilbibliotheken immer gerne, ebenso ältere Menschen.“ Es seien diejenigen, deren Kinder im Teenageralter sind und die voll im Erwerbsleben stehen, denen am „Ende die Zeit für einen Besuch der Bücherei“ fehle. Jugendliche und Studenten wiederum nutzten die Angebote, um in Ruhe zu lernen. „Stadtteilbüchereien sind wichtig“, betont sie. denn „sie bieten ein niederschwelliges kulturelles Angebot, ebenso einen Zugang zu Wissensquellen und die Möglichkeit der Teilhabe, unabhängig von Geldbeutel oder sozialem Status“.