Herr Prange, bekannte Marken wie Salamander, Görtz und Reno, aber auch diverse Schuhhandelsgruppen mussten in der jüngeren Vergangenheit Insolvenzverfahren starten oder haben geschlossen. Die Branche leidet unter steigenden Preisen, dem Online-Handel und einer Kaufzurückhaltung. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Düsseldorfer Schuhhändler Paul Prange „An Turnschuhen kommt keiner vorbei“
Interview | Düsseldorf · Der Schuhhändler und -produzent über die Krise seiner Branche, Geheimnisse der Produktentwicklung und Beziehungen nach Italien
Der qualifizierte Einzelhandel hat seit Jahren zu kämpfen. Für die Schuhbranche gilt das allemal, einige Insolvenzen haben in den vergangenen Monaten darauf aufmerksam gemacht. Paul Prange wirkt aber gelassen, obgleich er nicht nur Schuhhändler, sondern auch Schuhproduzent ist. Wir treffen ihn in den Firmenbüros über dem Schuhgeschäft Juppen an der Schadowstraße.
Prange: Zum Glück besser. Wir haben besondere Qualitätsansprüche und eine Kundschaft, die das honoriert und auf gute Produkte Wert legt.
Also können Sie ganz beruhigt sein?
Prange: Das Gegenteil ist der Fall. Wir können uns auf nichts ausruhen und müssen jede Saison überlegen, was die Trends sind und was wir unseren Kunden anbieten. Sie müssen sehen, dass auch immer mehr alteingesessene Schuhhersteller in Probleme geraten sind, wirtschaftlich und weil sie unter dem Fachkräftemangel leiden. Wir haben jedoch viele Stammkunden, die sich auf unsere Qualität und Innovationsfähigkeit verlassen.
Wen trifft die Krise denn vor allem?
Prange: Der vergleichbare Massenmarkt hat es jetzt besonders schwer. Die Kunden sind preissensibel und viele sind auf den Internetkauf umgeschwenkt.
Ein preiswerter Hersteller wie Deichmann ist aber nicht in eine Schieflage geraten.
Prange: Görtz beispielsweise liegt über diesem Preisniveau, ist aber nicht Luxus. Offenbar liegen im Markt für die Mittelschicht die Probleme. Deichmann hingegen konzentriert sich jetzt auf seine preiswerte Kernmarke und ist dort sogar stationär besonders erfolgreich. Zeitgleich zieht sich das Unternehmen aus dem hochpreisigeren Handel zurück.
Wie unterscheiden Sie sich?
Prange: Wir haben ein ganz anderes Geschäftsmodell und setzen nicht auf die Massenproduktion aus Asien, die den Markt dominiert, sondern auf europäische Hersteller. Dadurch sind wir etwas teurer, aber auch nachhaltiger bis hin zur Wiederverwertung der Schuhe. 85 Prozent unserer Schuhe kaufen wir in Europa ein, in Spanien, Portugal, vor allem aber in Italien. Von dort kommen 70 Prozent unserer Ware.
Was kosten die Schuhe bei Ihnen?
Prange: In den beiden Juppen-Häusern können Sie von einer Preisspanne von 89 bis 200 Euro ausgehen, in den sieben Prange-Filialen liegt sie bei 150 bis 400 Euro. Vor allem für Prange gilt: Fast alle Schuhe, die wir verkaufen, haben wir mit den Herstellern gemeinsam entwickelt. Zu vielen der rund 200 Fabriken, mit denen wir in Italien zusammenarbeiten, besteht eine generationenübergreifende Verbindung.
Wie läuft die Zusammenarbeit ab?
Prange: Zehn bis zwölf Mal im Jahr sind wir in Italien, um den Kontakt mit den Produzentenfamilien zu halten und auch über neue gemeinsame Produkte zu sprechen. Große Lieferanten stellen 5000 bis 8000 Paar pro Jahr her, Spezialisten bis zu 2000 Paar. Eine Firma etwa produziert nur Pumps, das sind Spitzenprodukte mit langer Laufzeit. Bei einem Modell gingen die Schuhe neun Monate hin und her, bis der Schuh bei unserem Probierfuß so perfekt saß, dass wir grünes Licht geben konnten.
Sie haben einen Probierfuß?
Prange: Als wir eine neue Sachbearbeiterin für die Buchhaltung eingestellt haben, spielte auch ihre Schuhgröße eine Rolle. In Italien haben die Probiermodelle bei den Damen die Größe 37, bei den Herren ist es die 42. Die Kollegin hat die 37, was ihr nun eine besondere Zusatzfunktion in unserem Unternehmen verschafft. Sie probiert die Schuhe aller Hersteller an, die in Düsseldorf ihre Kollektion vorstellen. Der enge Kontakt zu den Herstellern ist auch hilfreich, wenn es Probleme gibt. So haben wir Damenstiefel im Sortiment, die sich anfangs nur bis zur Größe 39 gut verkauften. Wir haben dann Interviews im Laden gemacht und festgestellt, dass bei diesem Modell der Schaft bei den größeren Größen ein wenig weit war, weil manche Frauen zwar etwa Größe 41, aber dennoch dünne Beine haben. Also wurde der Schaft ab der 39 etwas schmaler geschnitten. Jetzt haben wir bessere Verkaufszahlen.
Sind solche Sonderwünsche für die Hersteller nicht zu aufwendig?
Prange: Wir kennen uns sehr lange und haben den gemeinsamen Ehrgeiz, sehr gute Produkte in den Markt zu bringen. Außerdem halten wir zusammen. So haben wir den Herstellern in der Corona-Zeit dabei geholfen, einen Online-Vertrieb aufzubauen, damit sie auch in andere Länder verkaufen konnten. Wir haben die ersten Messen während der Pandemie in Deutschland organisiert. Dafür haben wir ein komplettes Hotel in Bad Kreuznach gemietet, wo jeder vor der Tür einen Test machen musste. Wir durften ja nicht nach Italien und so konnten wir neue Ware sehen.
Kommen Sie am Trend zum Turnschuh vorbei?
Prange: Daran kommt wohl niemand vorbei. Sneaker gab es immer schon, aber sie kamen nahezu komplett aus Asien. Wir wollten etwas Hochwertiges für unsere Kunden und beziehen etwa Ware aus Deutschland und Österreich, von K & S oder Paul Green, sowie aus Italien. Es gibt modische Sneaker mit Fußbett, ledergefüttert, die unserem Qualitäts- und dem Liftestyleanspruch der Kunden genügen. In der Herrenabteilung haben wir uns zudem weiterentwickelt und bieten auf der Königsallee nun Textilien von Hugo Boss und Stefan Brandt an.
Unterscheiden sich Männer- und Frauenschuhe in der Herstellung?
Prange: Es wird vielleicht manchen wundern: Für Herrenschuhe benötigt man in aller Regel 230 handwerkliche Schritte, für Damenschuhe 120.
Die Familien Franzen und Paffrath haben ihre Häuser auf der Kö an die Centrum-Gruppe verkauft. Sie haben das Haus mit Ihrem Geschäft, das in gleichem Block liegt, behalten. Warum?
Prange: Wir sind Schuhhändler und an diesem Standort alteingesessen. Ein Verkauf kam für uns einfach nicht in Betracht.