Düsseldorf Düsseldorf sorgt sich um die Biene
Die Grünen wollen Friedhöfe als Rückzugsorte für Insekten etablieren. Die Idee findet breite Zustimmung. Imker haben bereits Bienen angesiedelt.
Düsseldorf. Deutschland sorgt sich um die Biene. Das zeigt allein der Blick auf die Bestseller-Liste. Seit Wochen auf Platz eins ist dort das Buch der Norwegerin Maja Lunde gelistet. Mit „Die Geschichte der Bienen“ hat sie einen Roman geschrieben, der zusticht: Sie erzählt die fiktive Geschichte der Chinesin Tao, die als Arbeiterin mit einer Feder Tag für Tag Obstblüten bestäubt. Und damit die Aufgabe der Bienen übernimmt, denn die sind in der Erzählung schon vor Jahrzehnten ausgestorben. Wohlgemerkt zeichnet die Autorin damit eine düstere Version der Zukunft. Ganz fernab der Realität ist ihre Dystopie aber nicht.
Vor allem im ländlichen Raum hat es die Biene, wie im Übrigen fast alle Insekten, zunehmend schwer. Allein in NRW ist die Biomasse aller Insekten in den vergangenen 15 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen. Denn der schöne Schein trügt gewaltig: Die industrielle und vor allem die konventionelle Landwirtschaft hat im Jahr 2017 nur noch wenig mit Natur zu tun. Längst sind die Äcker mit Pestiziden (vor allem Neonicotinoiden, die Insekten gezielt abtöten) vergiftet, blühende Ackerkräuter sucht man vielerorts vergeblich. Monokulturen sorgen allenfalls zur Rapsblüte für reichhaltige Kost, den Rest des Jahres über sind sie für Insekten jedoch nutzlos. Die Landwirtschaft erzeugt Ackerwüsten, unsere Bienen setzt das auf Zwangsdiät.
In Düsseldorf sorgt sich die Ratsfraktion der Grünen um die Bienen: „Genau wie bei Vögeln und anderen Arten beobachten wir, dass Städte zum Ersatzlebensraum für Tiere werden“, sagt Claudia Engelhardt, Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der bündnisgrünen Ratsfraktion. In einer Anfrage im Ausschuss für öffentliche Einrichtungen wollte ihre Fraktion wissen, ob beispielsweise Friedhöfe mit ihren teils alten Baumbeständen und üppigen Grabbepflanzungen als Rückzugsorte für Bienen ausgebaut werden können. „Friedhöfe haben ein hohes Potenzial als Rückzugsflächen für Flora und Fauna und können die Biodiversität fördern“, so Engelhardt.
Die Antwort des Gartenamtes zeigt, dass diese Idee durchaus Anklang findet. So sind auf acht der städtischen Friedhöfe schon Flächen für Imker bereitgestellt worden. Auf dem Nordfriedhof leben mit Abstand die meisten Bienenvölker — derzeit 49 Stück, wie das Gartenamt der WZ auf Anfrage mitgeteilt hat. 23 Völker leben auf dem Südfriedhof, 19 weitere in Gerresheim. Insgesamt summen 118 Völker auf Düsseldorfs Friedhöfen, laut Gartenamt sei es kein Problem, die Zahl auch noch weiter aufzustocken. Auf einigen Friedhöfen seien zudem schon Wildblumenwiesen eingerichtet worden. Herbizide kommen laut Stadt auf den Friedhöfen nicht zum Einsatz.
Doris Törkel, Leiterin des Gartenamtes, unterstützt die Idee der Grünen. Bereits 2013 habe der Stadtrat beschlossen, Friedhöfe stärker als bisher als Parkanlagen zu begreifen und auszubauen. „Wir haben auf den Friedhöfen mehr Platz als wir eigentlich bräuchten, weil die Bestattungszahlen zurückgehen“, sagt Törkel. Dadurch würden in den kommenden Jahrzehnten viele Grabflächen frei, die nicht neu belegt würden. Bestimmte Bereiche der Friedhöfe sollen deswegen, wenn die Gräber dort langsam reihenweise frei werden, bepflanzt und gestaltet werden. „Schon jetzt versuchen wir, verstärkt Stauden und Blumenwiesen anzupflanzen, um Insekten zu schützen“, so Törkel. Auf leeren Gräbern könnten statt schlichtem Rasen weitere Blumenwiesen angelegt werden. Derzeit existieren solche Flächen nur auf dem Nordfriedhof, sowie den Friedhöfen in Gerresheim, Unterrath und Eller (Randbereiche).
Lob gibt es dafür von Imkervereinen. Gino Collica, Vorsitzender des Düsseldorfer Bienenzuchtvereins von 1883, hält Friedhöfe für gute Orte, um dort Bienenvölker anzusiedeln: „Wir beobachten seit Jahren, dass Imker die Nähe zu Friedhöfen suchen.“ Niemand brauche sich vor den Bienen zu fürchten: „Unsere europäischen Bienen sind friedlich und haben kein Interesse, Menschen zu stechen.“ Collica beschreibt Düsseldorf als sehr bienenfreundliche Stadt. Vor allem das Gartenamt sei offen für Vorschlage, etwa wenn es um das Pflanzen neuer Bäume gehe. „Man kann darauf achten, auch Linden und Robinien anzupflanzen, die den Bienen nutzen; das wird in Düsseldorf gemacht.“
Auch Dieter Ziemann, Vorsitzender des Kreisimkerverbandes Düsseldorf, begrüßt den Vorstoß der Grünen. In der Stadt fühlten sich die Tiere wohl: „Bienen sind deutlich unempfindlicher als Menschen, Schadstoffe machen ihnen nicht viel aus.“ So gebe es beispielsweise Bienenvölker am Flughafen. „Die Völker und ihr Honig wurden auf Schadstoffe untersucht und selbst dort wurde nichts gefunden“, sagt Ziemann. Vermehrt würden sich Privatleute für den Schutz der Bienen interessieren und einen Bienenstock auf dem Balkon oder im Garten ansiedeln. „Das ist gut gemeint, aber oft nicht unbedingt zielführend“, sagt er. Viel besser geeignet seien Standorte in der Nähe von Kleingartenvereinen — oder eben auf Friedhöfen.
Auch Gino Collica weist darauf hin, dass beim Imkern einiges zu beachten ist. „Werden die Bienen nicht richtig gegen Schädlinge behandelt, erkranken sie“, sagt er. Und werden damit zur Gefahr für alle anderen Völker in der Nähe, die infiziert werden können. Ein großes Problem sei die Varroamilbe, die aus Asien nach Europa eingeschleppt wurde. Der nur ein bis zwei Millimeter große Parasit befällt die Bienenstöcke, saugt den erwachsenen Arbeiterinnen Blut ab und legt seine Eier in die Brut der Bienen. Die Milbe sei eine der Hauptursachen für das zunehmende Bienensterben, sagt Dieter Ziemann. Deswegen sei es wichtig, den Parasiten zu bekämpfen. Verschiedene Stellen bieten aber spezielle Kurse für Hobby-Imker und alle, die es werden möchten, an.