Treffpunkt von Drogenabhängigen „Grand Central“-Gelände geräumt – nun ist die Baugrube leer
Update | Düsseldorf · Montagfrüh wurde das „Grand Central“-Gelände geräumt. Die Drogenabhängigen, die dort noch hausten, mussten ihre Zelte verlassen.
Die meisten sind schon verschwunden, als die Einsatzkräfte anrücken. Einige hatten sich schon für die Nacht neue Schlafplätze gesucht, andere klettern erst am Morgen mit Taschen und Koffern über den matschigen Boden aus der Baugrube. Übrig bleiben fünf Personen, die noch in den Zelten aus Bauzäunen und Abdeckplanen hausen. Menschen, die schwer drogenabhängig sind und es kaum auf die Beine schaffen, selbst wenn Ordnungsamt und Polizei vor der Tür stehen, um den Platz zu räumen.
Der Mann in der dunkelblauen Uniform ist geduldig. Er steht zwischen zwei Verschlägen, die Schuhe tief in einer Pfütze, und spricht mit den Menschen, die sich hinter der Plane verstecken. Sie müssen den Platz nun verlassen, sagt er laut, Ordnungsamt, Polizei und Bauaufsicht sind da. Schließlich bewegt sich etwas im Innern des Zeltes, ein Mädchen tritt heraus in den Regen, vielleicht gerade 18 Jahre alt, zerzaustes Haar, große Brille, Beine dünn wie Streichhölzer. Das gehe nicht so schnell, sagt sie leise. Sie sei nur zu Besuch, aber es liegen noch zwei im Zelt, sagt sie. „Die Leute wohnen hier.“ Einer angeblich seit zweieinhalb Jahren. Sie bekommen noch Zeit, ihre Sachen zusammenzupacken.
Alle mussten am Montag die „Grand Central“-Baugrube verlassen. Wo eigentlich 900 Wohnungen, Geschäfte, Restaurants, Fitnesscenter, Kita und Tiefgarage entstehen sollen, hatten sich Drogenabhängige und Obdachlose niedergelassen. Bis zu 70 Personen lebten zwischenzeitlich auf der Brachfläche unweit des Hauptbahnhofs, täglich kamen weitere, um dort Crack zu rauchen oder Heroin zu spritzen. Nun hat die Stadt die Baugrube geräumt, die zum Symbol für die Drogenprobleme in der Stadt geworden ist.
Die Räumung kam nicht überraschend, die Stadt hatte die Aktion zuvor angekündigt, beteiligt waren Ordnungsamt, Polizei, des Amt für Migration und Integration, Gesundheitsamt, Streetwork und Eigentümer der Fläche. Sozialarbeiter hatten die Drogenabhängigen darauf vorbereitet. Der Zustand sei nicht hinnehmbar gewesen und aufgrund der niedrigen Temperaturen sei nun Eile geboten, so Ordnungsdezernentin Britta Zur. An diesem Morgen sind es nicht einmal vier Grad, es regnet ununterbrochen, das Wasser sammelt sich in großen Lachen auf der Brachfläche.
Diese Menschen seien durch viele Raster gefallen und schließlich wegen ihrer Drogensucht dort gelandet, sagt Zur, in wackligen Baracken in einer Baugrube. Alle bekommen am Montag die Möglichkeit, in einen Wagen der Hilfsorganisation Franzfreunde zu steigen und sich in eine Unterkunft fahren zu lassen. Einzelne nehmen das Angebot an. Sie kommen zunächst in einer Einrichtung für suchtkranke Obdachlose in der Nähe des Hauptbahnhofs unter. Andere machen sich selbst auf den Weg, mit Taschen und Zelten unterm Arm oder die Kleidung in Müllsäcke gestopft.
„Für manche Leute haben wir eine gute Lösung gefunden“, sagt Jürgen Plitt, der den Bereich Wohnungslosenhilfe bei den Franzfreunden leitet. „Wir wissen aber auch, dass sich manche anderswo im Stadtgebiet aufhalten. Für die müssen wir noch Lösungen finden.“
Doch wie eine Lösung für die Drogenproblematik in Düsseldorf aussehen könnte, ist noch unklar. Hilfsorganisationen drängen seit längerer Zeit darauf, Abhängigen alternative Treffpunkte in der Stadt zu schaffen. Auch, um den Worringer Platz zu entlasten. Fündig geworden ist man aber bislang nicht.
Aus Sicht der SPD ist die Räumung des „Grand Central“-Geländes „Ausdruck eines groben Versagens“. Die Stadtverwaltung hätte früher an die Eigentümer herantreten und eine „soziale Lösung“ finden müssen, so Klaudia Zepuntke, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion.
Das Grundstück ist Privateigentum, es gehört der Deutschen Bahn und dem Immobilienkonzern Adler Group, der dort das Wohnprojekt „Grand Central“ realisieren wollte. Ein „zukunftsweisendes, lebendiges Stadtquartier, nur einen Fußweg vom Hauptbahnhof und der Kö entfernt“, wirbt das Unternehmen. Doch der Konzern ist schwer angeschlagen, machte zuletzt 1,7 Milliarden Euro Verlust, die Baustellen liegen brach. So ist das verlassene Gelände in Düsseldorf zum Anlaufpunkt für Drogenabhängige geworden.
Eine Sprecherin von Adler kündigte an, dass die Baugrube künftig besser gesichert werde. Zäune sollen repariert oder neu aufgestellt werden, auch eine Videoüberwachung sei geplant. Die Deutsche Bahn werde in den kommenden Tagen die restlichen Büsche roden, in denen sich im Sommer noch viele Drogenabhängige versteckten. Das Ordnungsamt werde künftig ebenfalls ein Auge darauf haben, dass das Gelände nicht wieder besiedelt werde, sagt Dezernentin Britta Zur. Auch ein Verkauf steht im Raum. Die Catella-Group, die das Grundstück einst an Adler veräußerte, will es nun zurück. Die Verhandlungen haben aber auch nach Monaten keinen Abschluss gefunden.
Noch während die letzten Menschen, schwer beladen mit Taschen, die Zelte verlassen, kommt der Bagger. Mit gelb blinkendem Licht fährt er über den matschigen Boden der Baugrube und reißt die erste Baracke ein.