Stadt-Teilchen Düsseldorf: Wenn der Frühling im Gänsington Park ausbricht

Düsseldorf · Es wird wärmer, die Gänse und Enten in den Parks machen mobil und jede Menge Lärm.

Gänse können mit ihren Hinterlassenschaften das Grün verschmutzen. 

Foto: David Young

Es gibt ja angeblich ein Gänse-Problem in Düsseldorfer Parks. Es seien zu viel unterwegs, heißt es, und außerdem sei die Lage dort, wo sie sich massenhaft aufhalten, schlichtweg (Entschuldigung für die Wortwahl, aber es geht nicht anders) beschissen. Das klingt dramatisch, und natürlich will ich wissen, was es mit der Gänseplage auf sich hat. Auf in den Volksgarten.

Es ist nicht schwer, dort auf Gänse zu stoßen, sie sind quasi überall. Hier hätte Karl May sein berühmtes Buch nicht „Unter Geiern“ genannt. „Unter Gänsen“ hätte auf dem Cover gestanden, denn Gänse gehören hier zur Standardausstattung. Sie stromern über die Wiesen und picken zu Dutzenden im Gras herum. Sie zeigen sich dabei in der Tat rückwärtig sehr freigiebig, so dass man etwa auf der Ballonwiese wunderbar Hinterlassenschaftsslalom trainieren kann. Ein Fitnessparcour, der leicht glitschigen Sorte, der aber zu bewältigen ist.

WZ-Kolumnist

Foto: NN

Ein Problem? Nicht an diesem sonnigen Mittwochnachmittag im Gänsington Park. Da schaue ich den Tieren zu und bewundere ihre Gelassenheit. Sie sind omnipräsent, und manchmal stehen sie auch einfach so auf den Wegen rum und simulieren gravitätische Bestimmung. Immer wenn ich dort durch will, wo so ein Viech den Platzwart spielt, übe ich mich spaßeshalber im sächsischen Dialekt. „Gänsefleisch mal weggehen“, frage ich dann keck, was natürlich auf taube Ohren stößt. Oder haben Gänse keinen Humor? Erst wenn ich meine imposante Erscheinung in Schlagdistanz gebracht habe, bequemt sich ihro Gansistenz zum lässigen Seitenschritt und spendiert mir im Vorbeigehen ein leicht beleidigtes Knöttern.

Kein Vergleich mit dem Geräusch, das die Gänse am zentralen See im Volksgarten ausgeben. Dort ist Gelassenheit offenbar gerade Mangelware. Stattdessen steigt ein Rockerfestival mit sehr besonderer Musik, denn die Gänse haben viel zu sagen. Sie sagen das natürlich nicht. Sie knattern das in die Luft. Und Einzelne belassen es nicht bei dem Knattern. Sie führen sich auf wie die Chefs hier im Ring. Knatterknatter.

Das trifft vor allem Artgenossen, die sich um Anschluss bei der holden Weiblichkeit bemühen, die gerne mal gans nah an eine gansheitliche Schönheit heranschwimmen und so mit ihrem Körper den Satz „Ich habe dich Gans doll lieb“ formen. Das missfällt natürlich dem Gänserich, der sich für den rechtmäßigen Begleiter hält. Prompt erhebt er sich in die Lüfte und landet mit einem Riesenplatsch direkt neben dem Mitbewerber. Dann reckt er den Hals und schnappt nach dem Konkurrenten, der daraufhin fluchtartig das Wasser verlässt und dabei eine Riesenwelle hinterlässt.

Aber auch an Land ist er nicht sicher. Der eifersüchtige Gänserich will richtig deutlich machen, dass er hier der King of Kotelett ist. Er knattert und er reckt den Hals, bis der Nebenbuhler sich an den Horizont verkrümelt und von dort traurig schaut. Was für ein Spektakel!

Daneben fällt kaum auf, dass auch die Enten knattertechnisch ganz gut drauf sind. Knatter hier, knatter dort. Ich stelle mir sofort ein Knatterorchester vor, das ich dirigieren darf. Die Gänse im Bass, die Enten im Alt, und für den Sopran sorgen ein paar von den Vögeln, die ich für Wasserhühner halte. Gegeben wird die Seesymphonie, Knatterverzeichnis 387.

Manche Enten knattern nicht. Sie üben inmitten des ganzen Gewusels und Lärms stille Zweisamkeit. Sie umschwimmen einander in betörender Eleganz, und dann recken sie ihre Hälse synchron und ziehen sie wieder ein, und dann recken sie sie wieder. Ist das erledigt, begibt sich der Erpel hinter die Partnerin und inspiziert sehr eindringlich ihr Rückengefieder. Mann oh Mann, wo bin ich hier hingeraten? Das gleicht ja einem gefiederten Swingerclub, denn nicht nur ein Entenpärchen übt sich in diesem Verfahren, es sind derer gleich gans viele. Ich überlege kurz, wer in diesem Entenhausen eigentlich der Donald ist und wer die Daisy. Frühling im Februar. Da ist was los.

Aber meine Überlegungen werden gestört durch erneuten akustischen Gänseterror. Ein Radfahrer hat am Seerand gehalten und packt eine Tüte aus mit Brotresten. Er will das gefiederte Volk füttern, eindeutig. Dass man das eigentlich nicht darf, stört ihn nicht. Ich überlege kurz, ob ich ihn auf sein Fehlverhalten hinweisen soll, aber dann fällt mir ein, dass ich als journalistischer Beobachter nicht die Dinge beeinflussen darf, die ich zu beobachten gedenke.

Auf jeden Fall setzt jetzt ein Geknatter ein, gegen das, was vorher zu vernehmen war, ein akustischer Klacks war. Auf einmal heißt das Spiel Gans gegen Gans und Gans gegen Ente und Ente gegen Gans, kurz, jeder gegen jeden. Wenn es je so etwas wie gansheitliche Erziehung gegeben haben sollte, dann ist sie jetzt vergessen. Sogar die turtelnden Enten haben vergessen, was sie eben noch nachhaltig faszinierte. Erst kommt das Fressen, dann die Liebe.

Der vorhin vertriebene Gänserich steht derweil noch etwas abseits, und ich meine, einen spöttischen Ausdruck aus seiner Halshaltung herauszulesen. Macht er sich gerade lustig über das wilde Treiben? Ist er hier der Comedian vom Dienst, so eine Art Guido Gans?

Als der Radfahrer sich entfernt, kehrt wieder so etwas wie Ruhe ein. Das Geknatter wird auf Normalmaß zurückgefahren, die Akteure kehren zur Haltung zurück. Prompt gehen mir die Wortspiele aus, und ich erhebe mich, um heim zu streben. Ich sage höflich „Noch einen gans schönen Nachmittag“ in die Runde und merke dabei, dass nicht die pure Anwesenheit der Gänse das Problem ist. Auch nicht die Häufchen, die sie hinterlassen. Viel schlimmer wirkt ihr Einfluss auf arglose Journalisten, denen sie ganz viele schlechte Wortspiele einflüstern, die diese dann in ihre Texte einfließen lassen. Dagegen müsste mal etwas getan werden. Nicht nur eventuell, sondern gans bestimmt.