Düsseldorfer schreiben Geschichte(n)
Beim Projekt Geschichtsschreiber erzählen Menschen seit zehn Jahren von ihrem Leben. Ehrenamtler schreiben mit.
Ältere Menschen erzählen gerne von früher, doch beim Kaffeetrinken mit Kindern und Enkeln werden oft stets dieselben Anekdoten ausgepackt. Die Zeit, sich ausführlich mit der Lebensgeschichte von Oma oder Opa zu beschäftigen, fehlt. Das kennt Bärbel Deußen nur zu gut, sie ist beim Arbeiter-Samariter-Bund tätig, leitet dort das Projekt „Geschichtsschreiber“. Dabei geht es darum, in Geschichten festzuhalten, was ältere Düsseldorfer erlebt haben. Daraus entstehen Bücher — als ganz persönliche Erinnerung für die eigene Familie.
Thema des Tages
Geschichtsschreiber
Vor zehn Jahren hat Deußen das Projekt gestartet. „Mir ist wichtig, dass sich Jung und Alt näherkommen. Das ist nicht immer einfach, die Familien wohnen heutzutage ja teils weit auseinander. Die Zeit für längere Gespräche fehlt“, sagt sie.
Doch gerade bei Senioren steige mit zunehmendem Alter das Bedürfnis, ihre Erlebnisse mitzuteilen, sie damit auch zu verarbeiten. Meist seien die Erzähler über 80 Jahre alt. „Und junge Menschen wollen häufig mehr von ihrer Familiengeschichte erfahren, Zusammenhänge verstehen.“
Freiwillige übernehmen die entscheidende Rolle. „Es fällt manchmal leichter, Fremden von sich zu erzählen“, erklärt Deußen. Die Ehrenamtler besuchen die Senioren, sie hören zu, fragen nach, schreiben mit, nehmen auf. Daraus erarbeiten sie einen Text, der nach den Wünschen des Erzählers gestaltet wird, bevor er als kleines Buch in Druck geht. Zwei Exemplare sind vorgesehen, die Familie kann eine beliebige Anzahl nachbestellen.
Über 170 sehr individuelle Geschichten seien in den letzten zehn Jahren auf diese Weise entstanden. Sie malen ein Bild der Vergangenheit, aus Düsseldorf, aber auch aus anderen Städten. Kurze Episoden aus der Kindheit und ausführliche Lebensgeschichten, gefühlvoll oder gespickt mit Zitaten im Düsseldorfer Dialekt, je nach Erzähler und Schreiber. Immer wieder werden Ausschnitte davon in Lesungen vorgetragen, ganz zu Beginn des Projektes gab es auch einmal ein Buch mit mehreren Geschichten. „Das ist insgesamt aber zu aufwendig“, sagt Deußen.
Bärbel Deußen, Arbeiter-Samariter-Bund
Sie schätzt besonders die Texte, die sich mit dem Alltag befassen. „Es ist gerade spannend, zu erfahren, was Kinder damals in den 40er Jahren eigentlich so gespielt haben, wie man sich verabredet hat, wie die Menschen den Haushalt und die Feldarbeit gestemmt haben“, sagt sie. „Das sah ja gänzlich anders aus als heute — ohne Waschmaschine, ohne Handy.“ Die Kindheit, die Jugend und die Familiengründung spiele in den meisten Erzählungen eine große Rolle.
Unterschiede im Alter machen sich dabei in den Geschichen schon in den letzten zehn Jahren bemerkbar. „Wer vor zehn Jahren über 80 war, hat als Kind andere Dinge erlebt als Menschen, die heute über 80 sind. Die einen waren noch in Friedenszeiten Kind und haben den Krieg als Jugendliche und Erwachsene mitgemacht, die anderen sind im Krieg aufgewachsen.“
Da der Umgang mit Erzählungen aus dieser Zeit nicht einfach ist, werden die Geschichtsschreiber vorab geschult. „Sie lernen bei uns unter anderem, wie man die richtigen Fragen stellt, wie man berichten kann, und auch, zu erkennen, wann man besser aufhört“, sagt Deußen. Schreibwerkstätten und regelmäßige Treffen gehören ebenfalls dazu. Mitmachen kann jeder. Manche befassen sich beruflich oder als Hobby mit dem Schreiben, das sei aber keine Voraussetzung.