Düsseldorfer Untergrund: Der Tunnelrest und seine Geschichte
KIT steht für Kunst im Tunnel — bei der am Samstag Architekturführung kann der Raum unterm Rheinufer einmal leer bewundert werden.
Düsseldorf. Wer vom Rheinufer kommt, es an der Vitrine mit Aprikosenkuchen und Nussecken vorbeischafft und die weiße Treppe nach unten geht, der will Kunst sehen. Seit einem Jahrzehnt ist das KIT ein ganz besonderer Ausstellungsort. Hier hängen, stehen und tönen zeitgenössische Werke in einem Tunnel. Doch woher kommt dieser Tunnel eigentlich? Und welche architektonischen Eigenheiten machen ihn aus?
Die monatlich stattfindende Architekturführung „Underground — Wie die Kunst in den Tunnel kam“ bietet Antworten auf diese Fragen und gleichzeitig die Gelegenheit, einmal mit anderen Augen auf das KIT und seine Umgebung zu schauen. Im Ausstellungsraum herrscht oft bedächtige Stille — da sei vielen gar nicht bewusst, dass auf der anderen Seite der Betonwand permanent Autos vorbeisausen, meint Jana-Catharina Israel, die sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin im KIT um die Kunstvermittlung kümmert. Denn das KIT ist ein sogenannter Tunnelrestraum, der sich ergeben hat, als die Rheinuferpromenade in den 90er Jahren umgestaltet und die mehrspurigen Fahrbahnen von oben in den Untergrund verlegt wurden.
Kunstschaffende entdeckten den ungenutzten Raum schnell für sich. Es gab Theateraufführungen und Ausstellungen, bis der Kreativität 1996 aus Brandschutzgründen zunächst ein Ende gesetzt wurde. Rund ein Jahrzehnt später und nach viel Überzeugungsarbeit des Architekten Niklaus Fritschi und seinen Kollegen bewilligte die Stadt den Umbau des Kunstraums, der seit 2007 eine feste Größe in der Düsseldorfer Kulturszene ist.
(Am Ende des Tunnels laufen die Wände zusammen.)
Die Idee, eine Führung zu diesem Thema anzubieten, kam Israel während der Recherchen zum Jubiläumsbuch „10 Jahre KIT“, das letztes Jahr erschien. „Wir wissen, dass es auch die außergewöhnliche Architektur ist, die viele Besucher anlockt“, sagt die studierte Kunsthistorikerin. „Außerdem zeigen wir nur temporäre Ausstellungen, wir haben keine eigene Sammlung. Was wir aber haben, ist der Raum.“
Und der ist immer da, deshalb können die Führungen unabhängig von der jeweiligen Ausstellung stattfinden. Ein Raum, der junge Kunst von heute zeigt und der nicht wenige Künstler und Künstlerinnen zu eigens für das KIT angefertigten Werken inspiriert. Am einen Ende wird der Abstand zwischen Decke und Boden immer schmaler, am anderen laufen zwei Wände zusammen. Die Neigung unter den Füßen und die Biegung des Tunnels lassen keine geraden Ideen zu. Zwei von oben einsehbare Lichtschächte holen Tageslicht und Neugierige gleichermaßen in den Tunnel.
Soweit zum Offensichtlichen, doch Kunstvermittlerin Irene Bretscher nimmt die Interessierten auch auf Spurensuche mit. So deutet sich an einer Stelle im Beton noch leicht die Tür an, die Anfang der 90er Jahre auf den Autotunnel nebenan führte und dann zugemauert wurde.
Hinter den Kulissen geht es weiter: der Notausgang, den man sonst nur zur Nacht der Museen zu Gesicht bekommt. Wer bereit ist, den Kopf einzuziehen, darf einen Blick ins Lager werfen, das auf wundersame Weise Platz zwischen dem Tunnel unten und den Gästen oben im Café findet.
Aber Israel und Bretscher geht es nicht nur um das Hier und Heute. Sie wollen auch die Erinnerungen an die Geschichte der Promenade wachhalten. „Dafür sind wir der perfekte Ort“, erklärt Israel. „Bei unseren Führungen hat man die Möglichkeit, zu schauen, wie es hier früher mal aussah. Denn die Architektur des KIT steht ja nie allein da, sondern ist dicht verwoben mit der Veränderung der gesamten Rheinuferpromenade“.
(So sieht der Tunnel für gewöhnlich aus: Mit Menschen und Kunst darin. Bei der Führung ist er leer.)
Deswegen führt der Rundgang auch nach draußen, auf den Platz vor das Café, wo man einen guten Blick hat. Auf das Apollo-Theater unter der Rheinkniebrücke, noch so eine architektonische Besonderheit -, auf die breite Wiese, auf die vielen Spaziergänger.
Man kann kaum glauben, dass es nicht schon immer so war, doch Bretscher hat Bilder dabei. Vielbefahrene Straße, Baugrube, nix mit flanieren. Wie gut, dass heute heute ist, denkt man sich dann, während man wieder hineingeht ins KIT und noch in Ruhe die aktuelle Ausstellung anschaut. Oder sich verdientermaßen dem Aprikosenkuchen in der Vitrine widmen kann.
Die Architekturführungen finden jeden dritten Samstag im Monat um 14 Uhr statt und sind im normalen Eintrittspreis enthalten. Anmelden kann man sich vorher unter bildung@kunst-im-tunnel.de oder 0211 86393451. Die nächste Führung am 16. Juni fällt genau zwischen zwei Ausstellungen und bietet so die Chance, das KIT komplett leer oder mitten im Umbau zu erleben.