Schauspielhaus Dunja Hayali in Düsseldorf: „Wir brauchen eine Streitkultur“

Düsseldorf · 800 Besucher kamen am Sonntagvormittag zu den „Düsseldorfer Reden 2019“ ins Schauspielhaus, um die Journalistin Dunja Hayali zu erleben. Sie erklärte, wie sie mit Anfeindungen umgeht, wie Politik besser werden kann und was für ein Miteinander wichtig ist.

800 Gäste kamen ins Schauspielhaus, um Moderatorin Dunja Hayali zu erleben.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

„Sagen Sie doch mal Ihrem Nachbarn Hallo, stellen sich vor und lernen ihn kennen.“ Rund 800 Zuschauer kamen Dunja Hayalis Aufforderung im Schauspielhaus am Sonntagvormittag zunächst irritiert, dann angenehm überrascht nach. Die streitbare Journalistin war Gast der „Düsseldorfer Reden 2019“, die in diesem Jahr unter anderem schon Alice Schwarzer und Heribert Prantl hielten.

Das Format geht auf die „Dresdner Reden“ zurück, die 1995 aus dem Bedürfnis nach freier Meinungsäußerung ins Leben gerufen wurden. Seitdem halten prominente Vertreter aus Kultur und Medien Vorträge zu verschiedenen Themen, die sie und die Gesellschaft bewegen.

„Zusammen – wachsen“ hat sie
ihren Vortrag genannnt

Dunja Hayali hat ihren Vortrag „zusammen – wachsen“ betitelt und möchte dies im doppelten Wortsinn verstanden wissen. In Zeiten, in denen der technische Fortschritt rasant ist, die Kontakte von der realen in die virtuelle Welt verlegt werden und sich die Ereignisse mit Klimawandel, Terror und politischen Wechseln weltweit überschlagen, könne man denjenigen keinen Vorwurf machen, die sich nach Überschaubarkeit sehnen. „Wir dürfen diese Menschen nicht verlieren“, mahnt die TV-Moderatorin.

Als Journalistin steht Hayali für klare Worte und verlässt, gerne mal „die Komfortzone Redaktion“, um sich vor Ort selbst einen Eindruck von Ereignissen zu machen und mit Menschen ins Gespräch gekommen. Damit lebt sie das vor, was sie in ihrem Vortrag immer wieder betont, sich für andere zu interessieren, neugierig zu sein und einfach mal zu fragen, ob man etwas tun kann. „Die Hand reichen, statt die Faust zu ballen“, wird Hayali bildlich und ist überzeugt, dass schon Kleinigkeiten, wie ein „Bitte, Danke oder einen schönen Tag zu wünschen“, der erste Schritt zu einem Miteinander sein können.

An diesem Vormittag im Schauspielhaus hat die Autorin ein Publikum vor sich, das ihren Ausführungen über Despoten in Brasilien und der Türkei oder den „wild twitternden 45sten“ in den USA, zustimmend folgt. Alle seien demokratisch gewählt worden, stellt Hayali klar und verweist darauf, dass auch der Brexit eine demokratische Entscheidung gewesen sei, um dann gleich einen Bogen hin zu populistischer Meinungsmache und Falschmeldungen in den sozialen Medien zu schlagen. Auch mit den Pressekollegen geht die Journalistin ins Gericht, appelliert an mehr Zeit für fundierte Berichterstattung und Formate, in denen auch Bürger zu Wort kommen.

„Unser Parlament sollte die Gesellschaft widerspiegeln“, findet Hayali und ist überzeugt, dass in der Zusammensetzung der Volksvertreter noch reichlich Luft nach oben ist, wenn es um Alter, Geschlecht, Beruf und Herkunft geht. Demokratie bedeute auch aushalten, dass es andere Meinungen gibt, als die eigene, denen man ja nicht folgen müsse. „Wir brauchen eine Streitkultur“, fordert die in Datteln geborene Hayali.

„Ruhrpott-Slang ist kein
arabischer Akzent“

Am 6. Juni wird sie 45 und kann nicht fassen, dass man ihr immer noch ihre Herkunft (ihre christlichen Eltern flohen aus dem Irak) vorwerfe. „Ruhrpott-Slang ist kein arabischer Akzent“, versucht sie es mit Humor und Ironie, ihre Schutzschilder gegen teils extremste Anfeindungen, die weit über einen Shitstorm im Internet hinausgehen, wie sie zugibt.

Dunja Hayali schließt die Reihe für dieses Jahr ab, die auch 2020 fortgesetzt werden soll.