Ein Jeck wird 90 und gar nicht leise
Das Urgestein der Prinzengarde wird 90. Rudi Witzel feierte am Sonntag seinen runden Geburtstag und erinnerte sich zurück.
Düsseldorf. Häuptling Rudimbo, Hulda Schleudersack, gewichtiges Tanzmariechen oder Göttervater Zeus: Es gibt kaum eine Kostümierung, die Rudi Witzel in über 70 Jahren bei der Prinzengarde Düsseldorf Rot-Weiß nicht ausprobiert hätte. „Die Ideen kommen immer spontan, ich plane doch nichts“, sagt er.
Am Sonntag feierte der Gardist seinen 90. Geburtstag. Standesgemäß wurde das Urgestein mit einer weißen Kutsche abgeholt, um am frühen Abend mit seinen Kameraden im „Schuhmacher“ anzustoßen.
Es gibt vieles, an das sich Witzel gerne erinnert. Etwa daran, wie er als Standartenreiter am letzten Rosenmontag vor dem Zweiten Weltkrieg anfing oder wie er die Idee zum Maskottchen der Prinzengarde hatte, bis heute ein Esel.
„Es sollte zuerst ein Pferd sein, aber das war zu groß“, sagt er und erzählt davon, wie er einst versuchte, das Tier in seinem kleinen VW-Käfer zu transportieren. „Wir wurden von der Polizei angehalten, aber durften weiterfahren, das war früher halt nicht so heikel“, sagt der Jubilar und lacht.
Das tut er oft, denn er hat „Glück gehabt“, wie er sagt. „Ich könnte ja auch viel schlechter hören, sehen oder laufen, aber bin doch relativ fit“, so Witzel. Über sieben Jahrzehnte hat er die Prinzengarde geprägt. Hunderte Geschichten und Anekdoten gibt es um Witzel.
Er gehört einfach zur Prinzengarde — so sehr, dass sogar ein Preis nach ihm benannt wurde: Der RUDI ist die höchste Auszeichnung der Prinzengarde und wird an Personen verliehen, die Herausragendes für das Brauchtum geleistet haben. So wie Witzel: Er war Rittmeister und hat vielen Gardisten das Reiten beigebracht. „Es ist schon traurig, aber wegen der Hüfte kann ich, seit ich 80 bin, nicht aufs Pferd“, sagt er.
Zur Prinzengarde wollte er eigentlich nie. „Das habe ich für meinen Vater gemacht, ich wollte ihm diesen Wunsch erfüllen“, sagt er. Vater Josef Witzel gilt als Mitbegründer des Artillerikorps 1934. „Heute kann ich mir mein Leben ohne die Prinzengarde gar nicht mehr vorstellen, es gehört einfach dazu, ist ein Teil von mir“, sagt er.
Auf der Bühne steht Witzel gerne. „Ich mag es nur nicht, mich darzustellen, als wäre ich etwas Besseres“, sagt er. Bei Ehrungen blieb er deshalb lieber im Hintergrund, lehnte den Vorsitz der Gardisten immer wieder ab. Nur zehn Jahre lang war er zweiter Vorsitzender. „Das war einfach nicht meins, besonders nicht unter Kameraden.“
Bauer, Versicherungsvertreter, Rittmeister — Witzel hat viel ausprobiert. „Ich war es leid, herumkommandiert zu werden“, sagt der Gardist, der während des Zweiten Weltkriegs in russischer Kriegsgefangenschaft war. „Am 20. Oktober 1949 kam ich frei und da fing alles richtig an“, sagt Witzel, der sich auf den Tag genau an dieses Datum erinnert. „Ich habe mir damals geschworen: Hier verreckst du nicht, ich war überzeugt, dass ich da rauskomme“, erinnert er sich.
Witzel lernte seine Frau kennen und heiratete 1961. „Oder war es doch 62, das wissen immer nur die Frauen“, sagt er und lacht. Wenn Gattin Gerda heute Reiten geht, bleibt Witzel zu Hause, geht mit Hündin Linda Gassi. Oder seinem größten Hobby nach, dem Jagen. „Deswegen geht es mir ja so gut“, sagt er, als der Kutscher an der Tür klingelt.