Fachkräftemangel in Düsseldorf Eklatanter Fachkräftemangel in der Physiotherapie

Seit Jahren herrschen in der Branche unattraktive Bedingungen – was zu langen Wartezeiten für Patienten führt.

Tanja Hohmann betreibt seit rund 20 Jahren ihre Praxis Physio Train in Pempelfort.

Foto: Anne Orthen (orth)

„Früher hat es ausgereicht, auf dem Fachportal physio.de eine Anzeige zu schalten – inzwischen bewerben wir freie Stellen deutlich länger und auf mehr Kanälen“, erklärt Tanja Hohmann. Sie praktiziert seit 30 Jahren ihren Beruf, seit rund 20 Jahren betreibt sie ihre eigene physiotherapeutische Praxis in Pempelfort. Erst im Mai wurden die Räumlichkeiten erweitert. „Mein Mann bietet im zweiten Obergeschoss jetzt Sport an. Wir haben potenziell Platz für fünf oder sechs Behandlungsräume – besetzen können wir aktuell aber nur vier“, sagt sie.

Auch die Patienten müssen dadurch länger warten. „Teilweise über vier Wochen beträgt zurzeit die Wartezeit.“ Denn dem Mangel an Fachkräften, steht eine wachsende Zahl an Patienten gegenüber. Das liege einerseits daran, dass die Menschen immer älter würden, aber immer noch aktiv seien. „Dabei brauchen sie mehr Unterstützung durch Physio-Behandlungen.“ Andererseits nehmen die sitzenden Berufe immer mehr zu. Und auch die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen: Viele Menschen hätten mit einer schlechten Homeoffice-Situation zu kämpfen gehabt, hinzu komme der Stress allgemein.

Weiterhin nehme die Zahl der Selbstzahler deutlich zu. „Zu meiner Anfangszeit gab es das nicht – inzwischen jedoch scheinen viele Patienten keine Lust zu haben, lange auf Termine beim Orthopäden zu warten, um nach der Behandlung dort vielleicht zur Physiotherapie geschickt zu werden und dann hier nochmal auf Termine zu warten.“ Stattdessen kürzen sie ab – und zahlen selbst.

Früher mussten Auszubildende ihr Schulgeld selbst bezahlen

Im Finanziellen liegt wohl einer der Hauptgründe für den jetzigen Fachkräftemangel. Bis 2021 musste in NRW noch von den Auszubildenden selbst Schulgeld für die dreijährige Ausbildung gezahlt werden. Inzwischen übernimmt dieses das Land. An der Uniklinik in Düsseldorf werden die Auszubildenden der Physiotherapieschule mittlerweile auch vergütet. Der Sprecher teilt allerdings mit, dass die Nachfrage nach den jährlich 15 bis 30 Ausbildungsplätzen insgesamt dennoch abgenommen habe, wenngleich die Zahl weiterhin größer sei als die der zur Verfügung stehenden Plätze.

Bei den privaten Schulen allerdings gibt es keine Vergütung für die Azubis, beispielsweise bei den Döpfer-Schulen, die auch in Düsseldorf eine Dependance haben. „Wir bemerken keine große Steigerung bei den Azubi-Zahlen“, erklärt Geschäftsführer Andreas Hirsekorn. Vielmehr sei inzwischen die Abbrecherquote deutlich gestiegen. „Das dürfte auch daran liegen, dass ein Abbruch ohne Schulgeld leichter fällt, als wenn man schon ein Jahr oder länger bezahlt hat“, fährt er fort.

Auch er und sein Mitarbeiter Nicolas Matthiesen stellen immer wieder fest, dass die Nachfrage nach Fachkräften sehr hoch sei, der Mangel gleichzeitig eklatant. „Hinzu kommt, dass viele Azubis heute andere Anforderungen an Arbeit haben“, meint Matthiesen. „Viele streben eine Teilzeitanstellung bei hundertprozentiger Bezahlung an.“ Wenn dann die Realität nicht mit den Vorstellungen vereinbar ist, nehmen viele ganz Abstand von der Ausübung des Berufs. Dies sei ein weiterer Grund für den Fachkräftemangel.

Viele wollen Teilzeitanstellung
bei hundertprozentiger Bezahlung

Tanja Hohmann bestätigt: „Viele Physios fühlen sich bei Arbeitstagen im 20-Minuten-Takt verheizt, wo es vor allem auf Masse ankommt.“ Für sie ein Anlass, die Termine im 30 Minuten-Takt einzuplanen. Gleichzeitig merke sie – ebenso wie Matthiesen –, dass die Inhaberstrukturen sich immer mehr ändern: Die privat geführten Praxen werden weniger, Ketten nehmen hingegen zu. Auch der Lohn habe zwar zugenommen, sei aber immer noch nicht überall angemessen an die Leistung, die erbracht werde.