Düsseldorfer Kunstszene Entweder berühmt, oder arm: Viele Künstler überleben als Lehrer
Maler und Bildhauer träumen vom Erfolg, aber die Realität ist anders. Statt am Hungertuch zu nagen, werden sie Kunsterzieher.
Düsseldorf. Junge Leute strömen in die Kunstakademie, weil sie so berühmt wie ihre Lehrer werden wollen. Wenn sie wüssten, wie schnell diese Hoffnungen schwinden. Wer nicht berühmt ist, ist arm. 2011 lag das durchschnittliche Jahreseinkommen aller Künstler bei rund 14 000 Euro. Es sinkt stetig. Was macht ein armer Teufel im Alter? Wie kann er Kinder ernähren? In Düsseldorf arbeiten Maler und Bildhauer als Nachtwächter, Taxifahrer oder Messebauer. Doch es gibt bessere Alternativen.
Andrea Zeitler, Jg. 1966, hatte bei Becher und Hüppi studiert und irre Fotos gemacht, in denen sie sich selbst persiflierte, mit Strumpfmaske oder als Heidi. Sie machte sich in perfekten Aufnahmen über ihr eigenes Leben lustig. Zeitgleich brachte sie zwei Kinder zur Welt. Sie betrieb zeitweilig einen Off-Raum in Flingern und bot Werke von Künstlern zum Spottpreis an.
Aber es „reichte nicht hinten und nicht vorn“, wie sie heute sagt. Ihren Akademiebrief bekam sie als erstes Staatesexamen angerechnet und machte ihr zweites Staatsexamen. Heute ist sie Studienrätin in Mönchengladbach, hat einen Vollzeit-Job und sagt: „Ich finde den Beruf toll. Und ich habe endlich meine geregelten Einnahmen.“Gleichzeitig betont die Beamtin: „Das Künstlerische lege ich nicht ab.“
Paul Luckner, Jg. 1960, hat in Düsseldorf und Paris studiert. Er ist figurativer Bildhauer. Seine Falken aus Holzmodelliermasse wirken rätselhaft. Sie tragen goldene Falknerhauben auf dem Kopf, und scheinen angekettet zu sein. Sinnbilder für die Vergeblichkeit des Lebens.
Luckner stellt die Tiere von Hand her, er liebt ihre Form und ihre Lebensgeschichte. Ein Barakuda oder eine Vampir-Fledermaus bringen Gefahr, erinnern an den Tod, aber er präsentiert sie schön. Anfangs verkaufte er sie über die Galerie Brüning, bis der Galerist den Laden aufgab.
Der Bildhauer konnte sein Atelier in der Liesegangstraße und seine Wohnung am Stadtrand nicht mehr bezahlen. Auch er wurde Kunsterzieher und führt die Jugendlichen an der Gesamtschule Solingen-Ohlings bis zum Abitur. „Wenn man mir das vor zehn Jahren gesagt hätte, hätte ich mich totgelacht“, resümiert er. Er unterrichtet 16 Stunden in der Woche und hat einen freien Wochentag für die Kunst.
Er sagt: „Ich habe nun zum ersten Mal in meinem Leben regelmäßig Geld. Ich bekomme 1600 Euro. Das schützt mich zwar nicht vor der Altersarmut, aber ich kann leben.“ Als leidenschaftlicher Künstler relativiert er sogleich seine Bemerkung: „Meine Skulpturen sind meine heiligen Kühe. Ich fühle mich ein bisschen wie eine Blume, die zu wenig Licht hat. Ich habe zu wenig Zeit für die Kunst. Aber es war meine Schuld, nicht auf den Markt zu achten.“
Anders Anke Lohrer, Jg. 1969. Sie hat freie Kunst in Düsseldorf und Paris studiert, unterrichtet 20 Stunden als Kunsterzieherin am Gymnasium Gerresheim und bringt alles unter einen Hut: die Kunst, den Lehrerberuf, die Ausstellungen und den Verkauf über die Galerie Sels in Düsseldorf. Sie sagt: „ Viele berühmte Künstler haben als Lehrer angefangen, Gerhard Richter, Otto Piene, Bert Gerresheim. Man hat einen festen Job im Kunstbereich und kann überleben. Ich wundere mich, dass das nicht mehr Künstler machen. Die Behauptung, wer an einer Schule unterrichte, könne keine freie Kunst mehr machen, stimmt nicht.“
Anke Lohrer glaubt sogar ans Gegenteil, wenn sie sagt: „Als ich mit meiner Klasse das Alchemie-Projekt im Kunstmuseum durchführte, habe ich viel gelernt. Heute mache ich selbst mit Alchemie Kunst.“ Bestes Beispiel ist die Schau im „Museumsatelier“ am Ehrenhof. Dort stellt sie als Künstlerin aus. Und sie wird die Druckwerkstatt im Kunstmuseum mit ihren Schülern besuchen.