Düsseldorfer Buchautor Peter Jamin kämpft für die Angehörigen von Vermissten

Der Autor hat einen Ratgeber geschrieben für Menschen, deren Angehörige verschwunden sind. Ihm fehlen Beratung und Hilfe für Betroffene.

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Düsseldorf. Erst vor ein paar Tagen hat eine Frau bei Peter Jamin angerufen: Ihr Mann ist vor zwei Jahren aus einem Heim verschwunden, seitdem gibt es keine Spur. In ihrer Verzweiflung hat die Seniorin sich an eine Wahrsagerin gewandt. Die sagte, ihr Mann sei im Wasser, darauf lief die verzweifelte Frau die Düsseldorfer Seen ab.

Peter Jamin hat schon viele solcher Geschichten gehört, auch Wahrsager kommen darin immer wieder vor. Seit Jahren beschäftigt er sich mit denen, die zurückbleiben, wenn ein Mensch verschwindet. Deren Problem, so sieht es Jamin: Sie haben keine Lobby und niemanden, der sie berät und ihnen hilft. Gerade hat er darüber ein Buch geschrieben, das er auf der Buchmesse in Leipzig vorgestellt hat.

Zum Experten für das Thema wurde Jamin schon vor mehr als 20 Jahren. Damals startete er im WDR eine Sendung, die das Ziel hatte, Vermisste wiederzufinden. Es meldeten sich aber vor allem Angehörige, erinnert sich der Journalist und Autor.

Rund 800 bis 900 Mal werden Menschen in Düsseldorf jährlich als vermisst gemeldet, gezählt werden aber nur die Fälle, wo die Polizei sich zum Handeln veranlasst sieht. „Das ist kein Vorwurf an die Polizei“, sagt Jamin, „aber für die Angehörigen kann die Polizei kaum etwas tun, außer mit der Suche zu beginnen.“ Doch auch sonst gebe es keine Stelle, an welche die verzweifelte Familie sich wenden können. Jamin hat das bei der Stadtverwaltung getestet, auch dort gebe es keine zuständige Stelle.

Die Verzweiflung der Menschen, die jemanden als vermisst melden, erlebt Jamin regelmäßig, er hat sein Vermisstentelefon von der alten WDR-Sendung nie abgeschaltet, immer wieder melden sich dort Menschen, erzählen ihre Geschichten, bitten um Rat. Eine Frau erzählte von ihrem verschwundenen Mann, der als selbstmordgefährdet gilt. Die Polizei hatte vorgeschlagen, ein Foto über die Medien zu veröffentlichen, doch die Frau hatte Bedenken: Wie würden die Mitschüler ihrer Tochter reagieren?

Fälle wie dieser zeigen auch: Ist jemand verschwunden, kämpfen Angehörige und Partner oft auch mit der Scham. Wieso hat es da jemand nicht mehr ausgehalten?, ist die unausgesprochene Frage, die manche dann in den Gesichtern ihrer Mitmenschen zu lesen glauben. Darüber hinaus bringt das Verschwinden auch viele praktische Fragen mit sich, erläutert Jamin, nicht zuletzt finanzielle.

Dass hinter dem Verschwinden ein Verbrechen steckt, ist äußerst selten, meist sei ein spontaner Fluchtreflex der Auslöser, so die Einschätzung von Peter Jamin: „Die Liste der Gründe ist ein Querschnitt durch die Probleme unserer Gesellschaft: Mobbing, Drogen, familiäre Konflikte, Versagensängste, Depressionen.“ Die meisten tauchen bald wieder auf, bei durchschnittlich drei Prozent fehlt auch nach einem Jahr noch jede Spur.

Die Hoffnung, dass der Mensch zurückkehrt oder gefunden wird, ist dann meist nur noch schwach. Andererseits können die Leute auch nicht Abschied nehmen. „Die Ungewissheit“, sagt Jamin, „ist das Schlimmste.“ Er berichtet von einer Frau, deren Sohn während seines Studiums verschwand. Die Mutter hielt es in der vertrauten Umgebung nicht mehr aus, weil zu viel ihren Jungen erinnerte. Sie zog in eine andere Stadt.

Damit solche Menschen künftig nicht auf sich allein gestellt sind, fordert Jamin einen nationalen Internetauftritt für sie. Zudem müssten Polizeistationen Ratgeberbroschüren bereithalten, Kommunen Ansprechpartner benennen und entsprechend qualifizieren. Bis es soweit ist, kann man sich an Jamins Vermisst-Telefon wenden: 0211/38738494.