Es müsste immer Musik da sein

Die Macher des Asphalt-Festivals haben ein Klavier in die Heinrich-Heine-Passage gestellt, das in den vergangenen Wochen für viele besondere Momente gesorgt hat. Ein Plädoyer, dass das Klavier dort dauerhaft bleibt.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Und plötzlich läuft das Leben langsamer. Wer in diesen Tagen im U-Bahnhof an der Heinrich-Heine-Allee die Treppe herunter oder die Rolltreppe herauf kommt, hört meistens eine Melodie. Sie stammt von einem Klavier, sie erhält durch die niedrige Passage einen schönen Hall, sie schnappt sich den Zuhörer und bremst seine Eile. Mal sind Flohwalzer, „The Entertainer“ oder „Für Elise“ zu hören, mal durchaus beachtliche klassische Werke, dann auch Pop-Piano und ein ansehnliches Jammen. In aller Regel bleiben mindestens ein paar Leute stehen und hören zu, oft bildet sich auch ein Kreis um den Spontan-Interpreten.

Dass das Instrument an just jenem ungewöhnlichen Ort wirklich alle Menschen zum Musizieren einlädt, ist dem Asphalt-Festival zu verdanken. Seit gut zwei Wochen und noch bis Sonntag haben die Macher „Stadtklaviere“ aufgestellt. Jeder darf dort spielen, einen musikalischen Lichtblick schaffen, der viele Menschen für zumindest einige Minuten aus dem Alltag herauszuheben vermag. Bis jetzt gibt es die „Stadtklaviere“ im Tunnel nur einmal im Jahr und nur für kurze Zeit. Danach geht dieser Katalysator für mehr Kultur in unserem Alltag wieder verloren. Das Klavier verschwindet, die Unterführung wird wieder gänzlich profanisiert.

Muss das sein? Wir fragen uns, ob es nicht wertvoll für die Stadt, die Bürger und all jene die Düsseldorf besuchen, sein könnte, wenn ganzjährig im U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee ein derartiges Stadtklavier stehen würde. Wieso soll etwas, dass einen halben Monat lang reibungslos funktioniert, nicht auch darüber hinaus gelingen?

Die Unterführung ist auf seine Art ein überaus demokratischer Ort. Jeder, der sich in Düsseldorf bewegt, kennt ihn. Die Wege vieler Menschen führen durch den langen unterirdischen Korridor. Menschen aus vielen Vierteln, Ländern und Kulturen treffen dort, wenngleich nur für kurze Zeit, aufeinander. Die Passage ist ein Ort, an dem jeder Mensch gleich ist, der Reisende, der Schlendernde, der Eilige. Diesen Ort mit dem wohl demokratischsten der Instrumente, dem Klavier, zu bestücken, hat alleine schon eine über das rein Faktische hinausstrahlende Dimension. Es hat Symbolcharakter.

Auf einem Klavier kann man jede Musik spielen, ob nun Pop, Klassik, Rock, Jazz, Kunstmusik, oder Folklore. Das Klavier macht da keinen Unterschied, es trennt nicht, es vereint. Es nivelliert, just wie der besagte Ort mitten in der Innenstadt. Jeder kann reine Töne produzieren, durch Tastendruck. Es lädt alle zum Experimentieren ein. So ist es der sprechendste Ausdruck für eine universale Musikkultur, die keine Grenzen kennt.

Genug Argumente also, um das Stadtklavier unter der Heinrich-Heine-Allee langfristig zu erhalten. Der Leiter des Asphalt-Festivals Christof Seeger-Zurmühlen betont, dass es auch seitens des Festivals schon ähnliche Überlegungen gegeben hätte. Doch müsse eng mit der Rheinbahn kooperiert werden. Zudem bedürfe es eines Kooperationspartners oder eines Sponsors, der sich an den Kosten beteiligt. „Es wäre eine Bereicherung für die Stadt, und es wäre bestimmt gar nicht so schwer, jemand zu finden, der uns dabei unterstützt“, sagte der Festivalleiter.

Die Rheinbahn hat für die jetzige Zeit einen Antrag mit diversen Unterlagen bei der Bauaufsichtsbehörde gestellt. Sie musste nachweisen, dass das Klavier keine Fluchtwege behindert, dass der Brandschutz weiter gewährleistet ist. All das stünde noch einmal an, wenn man das Instrument dort dauerhaft stehen haben wollte.

Und es gibt auch das Argument, dass das Klavier auf Dauer seinen Reiz verliert oder irgendwann von Randalierern heimgesucht wird. Das ist bei aller Hoffnung auf die besondere Wirkung des Instruments natürlich möglich. Darauf sollten wir es ankommen lassen, das ist der gelegentliche Moment Langsamkeit allemal wert.