Die Stadt und ihr Platz Es wird immer enger in Düsseldorf – eine kleine Stadt-Zahlenspielerei

Düsseldorf · 1703 lebten 8578 Menschen in Düsseldorf – heute sind es 75-mal so viele.

Es wird eng für den Bergischen Löwen im Düsseldorfer Stadtwappen.

Foto: Peter Schmitz

Wenn Sie wussten, dass 1703 genau 8578 Menschen in Düsseldorf gelebt haben und genau dies die erste statistisch erfasste Einwohnerzahl der Stadt ist, sind Sie entweder Historiker oder Vorsitzender eines hiesigen Heimatvereins. Und haben sicher längst ausgerechnet, dass die Anzahl der Einwohner dieser Stadt, besser Metropole am Rhein, die als Ortschaft an der Düssel-Mündung schon 1288 voller Stolz mit Stadtrechten versorgt wurde und sich seit 1946 Landeshauptstadt in NRW nennt, weil die britischen Besatzer nicht ins größere und zerstörtere Köln umziehen wollten, sich seither ziemlich genau ver75-facht hat. Mit meist steter Steigerung, wobei die Dellen – das ist ja wie im Leben – in den Entwicklungen oft viel interessanter sind als die Linie, die diagonal nach oben führt. Sie erzählen auch in Düsseldorf Geschichten.

Zum Beispiel mit der Erkenntnis, dass die Zahl in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg zu Beginn der sogenannten „goldenen Zwanziger“ überhaupt das erste Mal gesunken ist (430 000 auf 422 000) – und dann einen ganz erheblichen Einbruch nach dem 2. Weltkrieg verzeichnete: Zwischen 1938 und 1944 reduzierte sich die Einwohnerzahl Düsseldorfs von 537 000 auf 326 000 Menschen, was in den unsagbaren Folgen des Krieges begründet lag.

1962 erreichte Düsseldorf
seinen Höchststand

Düsseldorf ist heute eine Großstadt, kein Zweifel. Eine übrigens von 82 in Deutschland. Genau nämlich ist sie das mit Überschreiten der Definition gebenden 100 000er Marke im Jahr 1882 geworden, als man während der Hochindustrialisierung als Schreibtisch des bebenden Ruhrgebiets galt. Als jene Unternehmen ihren Sitz und Briefkasten in Düsseldorf hatten, deren Produktion zwischen Duisburg und Dortmund stattfand.

Den größten Zuwachs erlebte die Stadt mit fast 100 000 neuen Bürgern innerhalb eines Jahrzehnts nach dem zweiten Weltkrieg. Und sie erreichte im Jahr 1962, als ein gewisser Jupp Derwall für eine Saison Trainer von Fortuna Düsseldorf war, mit 705 391 Einwohnern ihren bis heute nie wieder erreichten Höchstwert. Der wiederum sich bis 1987 durch vermehrten Abzug in die Nachbargemeinden schleichend auf erstaunliche 563 531 reduzierte. Und erst danach wieder anstieg – in den jüngst vergangenen zehn Jahren dann auch wieder um rund 50 000 Einwohner auf inzwischen 645 923 – das ist der Stand des 31. Dezember 2019.

Nun stöhnt und ächzt die Stadt unter den steigenden Zahlen, zu wenigen Häusern und Wohnungen und kaum mehr freien Grundstücken. Es wird hoch und in Quartieren gebaut, es wird hier gequetscht und dort nur noch selten neu erschlossen. Was ein Problem ist, das entsteht, wenn man immer mehr Einwohnern nur den immer gleichen Platz bieten kann: Düsseldorf hat zwar nach Berlin (3,6 Millionen), Hamburg (1,84), München (1,54), Köln (1,08) und Frankfurt (747 848) die sechstmeisten Einwohner der Republik und rangiert wohlgemerkt stolz vor Stuttgart (30 000 Einwohner weniger), Dortmund (geringstes Wachstum unter den zehn einwohnerstärksten Städten), Leipzig (aufstrebend! Und zuletzt doppelt so viel Zuwachs wie Düsseldorf) oder Essen (ähnlich wie Dortmund). Düsseldorf liegt aber flächenmäßig eben nur auf Platz 73 in Deutschland – und zwar mit 217,4 Quadratkilometern Fläche noch hinter Meschede (Sauerland), Grimma und Boxberg (beides Sachsen), aber immerhin doch knapp vor Grafenwöhr (Bayern) und Schwenkendöbern (Brandenburg), was die Krux dieser Stadt ganz ansehnlich erklärt. Ähnlich schwer haben es nur Stuttgart und Essen: zu viele Einwohner auf zu wenig Fläche. Dagegen sind Berlin und Hamburg nicht nur gewichtig an Einwohnern, sondern auch flächenmäßig groß – und auch hier ganz vorn in Deutschland.

Was bringt nun all die Zahlenspielerei, wenn man doch auch frei nach Goethe fragen könnte: Sag mir, wie hältst du es mit Düsseldorf? Mindestens lässt sich ja konstatieren, dass so viele Einwohner auf so wenig Platz für die Attraktivität des dicht Gedrängten sprechen müssen. Und längst ist klar: Die letzte Bevölkerungsprognose des Amtes für Statistik und Wahlen aus 2016 geht von einem weiteren Bevölkerungswachstum aus und weist für das Jahr 2029 eine Bevölkerungszahl von etwa 663 000 Bürgern aus. Was zwar bedeuten würde, dass das Wachstum an Dynamik verlöre, es aber doch auf die gleiche Problematik trifft: die Fläche bleibt die gleiche.

Was die Einwohnerzahl
der Stadt bringt

Dabei ist eine steigende Einwohnerzahl ja nicht nur Ausweis der Strahlkraft einer Stadt, sondern schlägt sich auch in deren Kassen nieder: Bei Zuweisungen nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz vom Bund an die Kommunen ist die Einwohnerzahl bei der Berechnung von Investitionspauschale, Sportpauschale und Aufwands- und Unterhaltungspauschale der Maßstab. Und dabei werden die Kontoeingänge bald noch größer, weil für all diese Berechnungen bislang die Einwohnerzahl nach dem Zensus 2011 zugrunde lag und die nächste Volkszählung 2021 stattfindet – mit dann fast 50 000 Düsseldorfern mehr.

Auch der Gemeindeanteil der Einkommensteuer hängt bis zu einer Deckelung an den Einwohnern. Und der Umsatzsteueranteil richtet sich nach den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Stadt. Heißt: mehr Einwohner, mehr Chancen auf zugeteiltes Geld. Klar ist aber auch: Je mehr Einwohner, desto größer sind die Verpflichtungen, die man als Stadt eingeht: Sie muss die Angebote in Schulen und Kindertagesstätten anpassen, das Investitionsvolumen und der Aufwand für Bauunterhaltung liegen auf hohem Niveau. Probleme, die 8578 Einwohner Düsseldorfs 1703 noch nicht hatten.