Felix Priebe: Feuerteufel von Berufs wegen
Felix Priebe ist professioneller Pyrotechniker in Düsseldorf. Silvester hat er allerdings frei — und böllert trotzdem.
Düsseldorf. Es knallt. Grell-weiße Fontänen schießen in die schwarze Nacht, regnen als Funken wieder herab. Sterne, Strahlen, Blitze in pink, blau und weiß — eine Lichtexplosion jagt die nächste. Es müssen tausende sein, die das wohl wichtigste Gebäude Deutschlands umhüllen, wie eine schimmernde Haut.
Da steht er, der Reichstag, prächtig, zeitlos, majestätisch. Der Atem steht für eine Weile still: Deutschland feiert 20 Jahre Wiedervereinigung, mit einem gigantischen Feuerwerk, Ausdruck für Emotionen, Kraft und Licht.
Während Tausende hinter den Abgrenzungen staunen, Millionen das Ereignis über die Bildschirme verfolgen, steht Felix Priebe an seinem Pult im Regie-Container, 30 Meter vom Reichstag entfernt. Wach, konzentriert. Es muss alles genau stimmen. Jeder Effekt, auf den Punkt. Priebe, kurze dunkelblonde Haare, Kapuzenpulli, ist derjenige, der zusammen mit Show-Designer Frank Lohse die Knöpfe drückt, das Feuerwerk auslöst, das Kunstwerk. Sie „fahren die Show ab“, wie Priebe es nennt.
Was andere verzaubert, ist seine Arbeit. Hinter der halben Stunde Pracht stecken zwei Monate Planung, genaue Koordination, mehrere hundert Kilo Explosivstoff, handwerkliches Geschick, Vorstellungskraft, Teamgeist und kurze Nächte. Priebe ist Pyrotechniker.
Er hat es geschafft, bei den „Guten“ zu arbeiten, „besondere Dinge zu machen“. Ob die DFB-Meisterfeier, der Nationalfeiertag im Oman, Silvester in Rumänien, den Eurovision Song Contest, die Expo in Shanghai, oder die Frauen-Fußball-WM. „Wir machen schöne Sachen. Auf dem Wasser, den Dächern, an Fassaden — und so nahe an den Zuschauern, wie es geht.“
Irgendetwas mit Show und Fernsehen wollte Felix Priebe immer schon machen. Nach der Schule wurde er Requisiteur, arbeitete wie geplant beim Fernsehen und lernte dort das Team seiner heutigen Reisholzer Firma kennen. Die Arbeit faszinierte ihn, das Team lag auf seiner Welle. Priebe kündigte und fing als Freelancer bei der Düsseldorfer Effekt- und Pyrotechnik-Agentur an. Das war vor elf Jahren. Heute ist er Projekt-Manager. Vor allem zuständig für Organisation, Logistik und Sicherheit.
Der Job sei schon ein bisschen gefährlich, er nickt bekräftigend und lacht. „Umso wichtiger, dass die Organisation stimmt.“ So ein Sicherheitsplan hat bis zu zehn Seiten. Die einfachste der Regeln: kein offenes Feuer — also nicht rauchen. Und keine Handys in der Nähe lagern. „Wir ziehen keine endlosen Strippen, sondern arbeiten über Funk“, erklärt er.
Um die hundert Effekte, einzelne Riesen-Feuerwerke, werden an einen Funkempfänger angeschlossen, den man dann drahtlos über das Pult steuern kann. „Von diesen Paketen gibt es bei großen Shows an die 80 — also auch genauso viele Funkstationen.“ Zuvor werden Reihenfolge und Zeitabstände von einem Pyro-Designer programmiert. Gefährlich wird es, wenn beispielsweise ein Effekt schon direkt am Boden explodiert. Er kann die folgenden beeinflussen, die dann in eine „suboptimale Richtung“ schießen.
Bei einer Show wie im Oman, bei der gerade 14 000 Kinder ihre einstudierten Formationen vorführen, ein Wahnsinn. „Wenn das so ist, breche ich sofort ab. Bis heute ist so etwas — toi toi, toi, — noch nicht passiert.“
Wahnsinnige, das seien sie nicht, er und der Rest des Teams. Auch keine, die als Kinder gezündelt haben. Vielleicht nur ein klein wenig verrückt. Nicht umsonst nennt sich die Firma LunatX, „lunatic“ heißt im Englischen so viel wie „irre“. Der Beruf ist eben nichts für jeden. Für Priebe ist er Erfüllung.
Herausforderungen gibt es genug. Beim Düsseldorfer Eurovision Song Contest beispielsweise, musste jeder Effekt auf die Zehntelsekunde zu einem gesungenen Ton passen. „Während der Schau schießt das Adrenalin in den Kopf, klappt alles, hab ich ein totales Hochgefühl. Das hat schon ein bisschen Suchtcharakter.“
Und auch die Organisation sei aufregend gewesen: Fest zugesichert waren LunatX der Song-Contest-Auftakt und das Finale. Dazwischen konnte jedes Land buchen, wenn es wollte. „Wir hatten keine Ahnung, wie viele es sein würden. Am Ende waren es mehr als 20 Länder. Gott sei Dank haben wir gut vorgesorgt, hatten genug Material und Personal.“
Am Samstag, an Silvester, hat Felix Priebe frei. Böllern will er dennoch, darauf will sein fünfjähriger Sohn Alexander nicht verzichten. Allerdings wird eben „nur“ geböllert, „das andere sind Bomben, keine Böller“, betont Priebe. Für Sohn Alexander reicht Papas Silvester-Show jedenfalls völlig aus: Adrenalin pur, die Raketen pfeifen, der Himmel glänzt, der Atem stockt.