Gastbeitrag Von Reykjavík nach Düsseldorf: Wie eine Klarinette Zugehörigkeit schafft.
Gastbeitrag Von Reykjavík nach Düsseldorf: Wie eine Klarinette Zugehörigkeit schafft.
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Dieselbe Stelle nochmal, aber bei den Holzbläsern war das fast schon perfekt“, sagt Silke Löhr. Fast schon perfekt! Ein seltenes Lob unserer anspruchsvollen Dirigentin bei einer der letzten Proben vor dem Jubiläumskonzert. Seit Herbst 2015 spiele ich Klarinette im Uniorchester der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Es war erst eine Woche, nachdem ich aus Reykjavík nach Düsseldorf gekommen war, noch vor Beginn des Studiums, als ich allen Mut zusammenkratzte und zum Probespiel ging. So fing das alles an.
Diese erste Woche war eine Gratwanderung. Ich wollte gut vorbereitet zum Probespiel gehen. Ich war aber auch gerade erst in eine neue WG gezogen und wollte meine Mitbewohner nicht allzu lange den oft lauten und durchaus auch schrillen Klarinettenklängen aussetzen. Aber das Probespiel lief gut und ich wurde ins Uniorchester aufgenommen. Mittlerweile bin ich umgezogen und meine Mitbewohnerin, die ich im Orchester kennengelernt habe, spielt auch Klarinette. Wir üben beide laut. Es hat sich noch nie jemand beschwert.
Ich bin nach Düsseldorf gekommen, um das Fach Literaturübersetzen zu studieren. Ich kannte niemanden in der Stadt — eine Situation, in der es von Vorteil ist, ein Instrument zu spielen. Denn in einem Orchester trifft man schnell viele Leute. Wir im Uniorchester sind fast alle Studierende: von Medizin, Biologie, Jura, BWL, über Finanz- und Versicherungsmathematik bis hin zu Literaturübersetzen (ja, das kann man studieren) sind viele Fächer vertreten. Was uns verbindet und zusammenschweißt, ist die Musik. Für mich war das Orchester sehr wichtig, um mich schnell in dieser mir anfangs fremden Stadt wohl zu fühlen.
Die meisten von uns spielen seit vielen Jahren ein Instrument. Es ist ein zeitintensives Hobby und verlangt Einsatz und Eifer. Klar macht üben nicht immer Spaß: stundenlang Tonleitern auf- und abspielen, Etüden mit komplizierten Griffen einstudieren, oder auch einfach nur Töne aushalten — der Favorit meiner Lehrerin. Für mich ist das Klarinettenspiel aber meist eine willkommene Abwechslung zum Uni-Alltag und ich lege immer wieder gerne eine Lernpause für ein paar Tonleitern ein.
In diesem Semester spielen wir die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz. Ein wirklich fantastisches Werk, in dem der Komponist sein ganzes Gefühlsleben in Musik auszudrücken versucht: technisch anspruchsvoll, klanglich differenziert — manchmal richtig laut, stellweise aber wieder so leise, dass ich mich selbst kaum noch spielen höre. Das Stück hat’s in sich, es zu spielen, macht richtig Spaß. Und es in einem wunderschönen Konzertsaal wie der Tonhalle zu spielen, ist der Höhepunkt des Orchesterjahres. Heute um 20 Uhr ist es endlich soweit. Natürlich sind alle herzlich eingeladen, uns zuzuhören. (Mehr: S. 18)
Freyja Melstedt (Foto: Uli Oberländer) aus Island studiert Literaturübersetzung an der Heinrich-Heine-Uni