Künstler Maler German Becerra – der „Exot“ im Düsseldorfer Uhrenturm

Düsseldorf · Der Künstler des Blechtrommelbildes wird zum Tag des offenen Denkmals gezeigt.

Germán Becerra stellt ihm Uhrenturm aus.

Foto: Helga Meister

German Becerra, der Schöpfer des berühmten Blechtrommel-Bildes im Stadtmuseum, erhält eine Ausstellung in Düsseldorfs kleinstem Kunstinstitut, dem Uhrenturm. Sie kam durch Anton Klees zustande beziehungsweise durch dessen Mutter Ingeborg Klees-Fuchs. Die führte das Geschäft Fuchs-Greven an der Königsallee und kaufte den armen Schluckern unter den Künstlern der Nachkriegszeit die Bilder ab. Noch heute hortet der Sohn im Anbau seines Hauses eine ganze Sammlung von Bildern und Skulpturen des gebürtigen Kolumbianers.

German Becerra malt Fränzi, die Tochter von Hilarius Gilges.

Foto: Helga Meister

Dieser „Manno“ Becerra, wie sie ihn nannten, wurde 1928 in Sotaquira geboren, studierte Malerei und Bildhauerei in Bogota und anschließend in Rom. Eines schönen Tages im Mai 1955 stand er in der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde von seinen Kommilitonen bestaunt. Bert Gerresheim erinnert sich an einen Mann mit „indianischer Herkunft“. Hannes Esser sprach gar von einem „Exoten“.

Otto Pankok, der ein Herz für arme Teufel hatte, machte ihn schon nach zwei Semestern zum Meisterschüler und vermittelte ihm ein Meisterschüler-Atelier. Bis dahin lebte er in einem halb zerschossenen, eingeschossigen Trakt unweit der Brücke, der später abgerissen und durch die Bildhauerwerkstatt ersetzt wurde.

Günther Uecker, sein Freund, nahm ihn mit in den „Kaufhof“, wo viele Künstler in Zeiten des Ausverkaufs ihr Geld verdienten. Die meiste Zeit des Tages aber malte und zeichnete, schnitzte und radierte er. Und mit den Ergebnissen ging es ins Geschäft an der Kö. Anton Klees erzählt: „Schon mein Großvater und dann meine Mutter haben immer wieder Kunst gekauft und verkauft, vor allem Radierungen. Es war die Zeit vor der Künstlersozialkasse. Mein Großvater hat viele Künstler als Dekorateure eingestellt, damit sie krankenversichert waren. So diente Graubners Ehefrau bei uns offiziell als Telefonistin, und Becerra war Dekorateur. Theoretisch natürlich nur. Auch Fränzi Helmus hat teilweise bei uns gearbeitet.“

Mit dieser Fränzi hat es eine besondere Bewandtnis. Sie war mit ihrer leicht dunkel getönten Hautfarbe ein beliebtes Modell in der Kunstakademie, weshalb Becerra sie mehrfach porträtierte. Der Künstler liebte ihre dicken, zupackenden Hände und jene quer stehenden Beine, die eher typisch für die Kunst aus Kolumbien als für Fränzi sind. Sie war aber auch die Tochter jenes Hilarius Gilges, der als Afroeuropäer, Kommunist und Aktivist das erste Nazi-Opfer in Düsseldorf war, weshalb ihm Bert Gerresheim ein Denkmal auf der Rampe der Oberkasseler Brücke widmete. Die Witwe und ihre Kinder Franziska (Fränzi) und Heinz überlebten die NS-Zeit, indem sie von Nachbarn in der Altstadt versteckt wurden.

1949 erhielten die Witwe (Katharina Hubertine Laatsche) und ihre beiden Kinder eine einmalige Entschädigung. Die Familie hielt sich über Wasser, indem sie dem kleinen Anton Klees das Mittagessen kochte. Anton besuchte die Maxschule, und seine Mutter stand rund um die Uhr bei Fuchs Greve hinter der Ladentheke, denn sein Vater war nach einem Herzinfarkt gestorben, als Klees junior zwei Jahre alt war.

Becerra pflegte nicht nur bei Ingeborg Klees-Fuchs zu schnurren, sondern etwa auch bei Josef Lehmbrock. Dieser Architekt, Gründungsmitglied des Architektenrings, erinnerte sich, wie er Becerra ein Bild für 300 DM abkaufen musste, das er nie gesehen hatte. Lehmbrock, ein berühmter Kritiker des wenig einfühlsamen Düsseldorfer Planungsdezernenten Friedrich Tamms, war übrigens ein Onkel der Familie Klees. So fand sich alles zusammen. Man darf also gespannt sein, was in der Ausstellung im Uhrenturm alles zu Tage kommt.

Ein Nachwort zum Schluss: Ein Werk Becerras ist für immer verloren, das große Wandgemälde in der Realschule Siegburger Straße 149 (heute Joseph-Beuys-Gesamtschule). In strahlenden Farben enthielt es Kinder aus einem fernen Paradies. Doch dem reaktionären Direktor und dessen Kollegium erschien die Kunst zu fremd, nicht deutsch-stämmig genug. So wurde das Fresko überstrichen. Heute gibt es an dieser Stelle eine dicke weiße Lackschicht. Ob unter dem Lack- und Tapetenkleister noch Becerras Bild steckt, wurde nie festgestellt. Da hatten es die Zero-Künstler in der Roland-Schule besser. Ihre Werke überdauerten hinter diversen Verschalungen.

Becerra aber verbringt heute als  91-Jähriger seinen Lebensabend im Herzen Burgunds in Savigny-lès-Beaune, mit einem Weinkeller unter seiner Werkstatt.

Info: Der Uhrenturm liegt Grafenberger Allee 300, Eröffnung 8. September 11-18 Uhr