Glühweinverkäuferin für einen Tag: Akkord statt Besinnlichkeit

Einen Selbstversuch wagte WZ-Mitarbeiterin Julia Gurol. Und macht den „Glühweintest“ mal von der anderen Seite.

Düsseldorf. Der Boden klebt, zum Aufwischen bleibt keine Zeit. Schon kommt die nächste Bestellung und ich wünsche mir, ich hätte mehr als zwei Hände zum Ausschenken von Glühwein, Kinderpunsch und heißem Kakao. Im Hintergrund dudeln Weihnachtsklassiker und die Weihnachtsbeleuchtung taucht den Glühweinstand in romantisch-gemütliches Licht. Die perfekte Wohlfühlatmosphäre zum Glühwein-Trinken könnte man meinen. Allerdings nur, wenn man auf der richtigen Seite der Theke steht, nämlich davor.

Hinter der Theke herrscht Arbeit im Akkord, hier muss jeder Handgriff sitzen. Eng ist es hier, vier Menschen auf kleinstem Raum, man drängt sich aneinander vorbei, mit gefährlich schwappenden Glühwein-Tassen. Chefin Konstanze Schmelter eilt hin und her. „Wir brauchen neue Gläser“, ruft sie ihren Kollegen zu und füllt im gleichen Atemzug die Rumflasche auf. In der rechten Hand drei Tassen dampfender Glühwein, mit links wird kassiert. Wer hier arbeitet, der muss schnell sein. Das sieht doch easy aus, denke ich und versuche mich selber als Glühweinverkäufer.

Schon bald komme ich ins Schwitzen. Wo ist denn nur der Amaretto? Und wie viele Tassen hat der Kunde doch noch gleich bestellt? Einarbeitung? Fehlanzeige, es geht sofort los. „Vier Glühwein und einmal Eierlikör“, ruft mir ein Kunde zu. Nachdenken, Julia, mahne ich mich, nehme betont gelassen vier Gläser aus dem gewagt gestapelten Haufen vor mir, schenke aus, so schnell es geht und bin trotzdem immer langsamer als meine eingearbeiteten Kollegen.

Schnell muss ich feststellen: Glühweinverkäufer, das ist kein Job für jedermann. „Wer hier arbeiten will, sollte Stressresistenz und Ausdauer mitbringen“, meint Konstanze lachend. Das sei wie ein Ausdauersport. Die richtige Kleidung spielt auch eine Rolle: Skihose und bequeme Schuhe, denn vor allem abends kann es empfindlich kalt hinter der Theke werden.

Davon merke ich allerdings noch nichts, ich komme eher ins Schwitzen angesichts der vielen Flaschen und Zapfhähne. Gut 100 bis 200 Liter Glühwein gehen in der Glühweinpyramide jeden Tag über den Tresen, je nach Tag und Kundschaft. Für Konstanze Schmelter ein Traumberuf. „Der Umgang mit den Menschen macht viel Spaß“, erzählt die Schaustellerin.

Die Glühwein—Pyramide wurde schon von ihren Eltern betrieben. Konstanze hat die Winter ihrer Kindheit dort verbracht. Viel Zeit zum Schnacken bleibt nicht, mit zunehmender Dunkelheit füllt sich der Glühweinstand. So langsam habe ich das Gefühl, besser zu werden. Zumindest verwechsle ich nicht mehr den Zapfhahn für Glühwein mit dem Kinderpunsch und das ist ja schonmal ein Erfolg.

Und während sich die Gesichter meiner Gäste langsam verklären, der ein oder andere seinen Glühwein schon lallend bestellt und andere direkt zum Kinderpunsch greifen, sieht man Konstanze die Anstrengung noch immer nicht an. Im Gegensatz zu mir, der langsam die Hände müden werden.

Doch es wird auch immer lustiger, die Gäste offener und dreister. „Du bist die schönste Glühweinverkäuferin“, ruft mir ein angetrunkener Kunde zu und verlangt prompt, dass ich sein Glas noch mal auffülle. Konstanze liebt ihren Beruf genau für diese Momente. „Wenn die Gäste angesäuselt sind, so nach dem vierten Glühwein, dann wird es lustig“, erzählt sie und scherzt mit den Kunden. Ihr Glühwein ist übrigens hochprozentiger als normaler, da es reiner Beerenwein ist. Kein Wunder also, dass unsere bunt gemischte Kundschaft so glücklich ist.

Einen Tipp hat Konstanze noch für mich: „Man kann sich viel Stress selber machen“, meint sie, bleibt die Ruhe in Person und schafft es sogar, nebenbei noch eine Bratwurst zu essen. Jeden Tag steht die Schaustellerin seit dem 21. November in ihrem Glühweinstand, von 11.30 bis 22 Uhr. Ein Vollzeitjob also, und kein entspannter. Dennoch muss ich nach einer Stunde als Glühweinverkäuferin zugeben, was ich vorher nie gedacht hätte: Es hat einen Heidenspaß gemacht.