Wohnungsmarkt Große Wohnung für Familie in Düsseldorf? Keine Chance!
Warum Angela, Tim und Ella in Düsseldorf keine größere Wohnung finden — und auf dem Land Häuser leer stehen und verfallen.
Düsseldorf. Die kleine Ella wird gerade wach. Angela (29, voller Name der Redaktion bekannt) quetscht sich an dem großen Doppelbett vorbei, um zu der Kleinen zu gelangen. Das Babybett steht im Schlafzimmer, ein Kinderzimmer hat die junge Familie in ihrer 65-Quadratmeter-Wohnung in Düsseldorf-Bilk nicht.
Ebenso wenig ein Arbeitszimmer für Papa Tim, der als Illustrator zu Hause arbeitet. Doch für die Vergrößerung von zwei auf vier Zimmer fehlt im Zentrum der Landeshauptstadt das Angebot. Zumal ein bezahlbares. Eine Entwicklung, die laut Experten ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Die Großstädte werden immer noch teurer und voller. Vermieter auf dem Land indes sorgen sich.
Angela ist selbst Maklerin — einen Vorteil hat ihr das bei der eigenen Wohnungssuche bislang nicht eingetragen. „Manchmal frage ich mich, wie diese Leute ihr Geld verdienen. Von zehn Anfragen, die ich rausschicke, melden sich höchstens drei zurück.“ Und dann bleibe dennoch viel Ausschuss: Der letzte Vermieter wollte für 74 Quadratmeter mit Mini-Balkon über der Hauptverkehrsstraße eine horrende Staffelmiete von letztlich 1200 Euro kalt.
Eigentlich wollen sie und ihr Lebensgefährte den Stadtteil nahe am Zentrum der Landeshauptstadt nicht verlassen: „Wir sind beide Bilker Kinder.“ Sie haben sich auch ausschließlich für Kindergärten dort vormerken lassen. Aber: „So langsam wird es muckelig hier drin“, sagt Angela zähneknirschend. „Gestern hat Tim eine Telefonanfrage für einen richtig dicken Job bekommen — und im Hintergrund hat Ella die ganze Zeit gequiekt. Das macht ja keinen tollen Eindruck.“
Über eine Anzeige wie die von Ulrich Gendig in einem Internetportal würde die junge Familie wohl jubeln: „Sonnige drei Zimmer im Fachwerk mit Garten“. Das Ganze für knapp über 500 Euro — in Düsseldorf zahlen sie jetzt schon weit mehr. Das Problem: Gendig vermietet eben nicht dort, sondern in einem Ortsteil von Stemwede im Kreis Minden-Lübbecke. Bei Wikipedia heißt es: „Die Kommune ist eine der am dünnsten besiedelten Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.“
Gendig ist in das Geschäft eingestiegen, als das Geburtshaus seiner Frau modernisiert werden musste. Fünf Mieter zogen ein, inzwischen hat das Paar ein weiteres Mietshaus, in dem es auch selbst wohnt, er verwaltet zudem Objekte für Freunde. „Reich werden kann man damit nicht“, sagt Gendig. Aber wenigstens „kostendeckend“ wolle er sein.
Nach vier Wochen hat es jetzt geklappt: Seine Fachwerk-Wohnung ist vermietet. Von 1400 Abrufen seiner Anzeige sind letztlich elf ernsthafte Interessenten übrig geblieben. „Das war früher anders.“ Darunter seien immer wieder Menschen aus großen Städten, die den Traum vom Leben im Grünen verwirklichen wollten.
Oft seien es Scheidungsfälle: Der Mann bleibt im Eigentumshäuschen, die Frau muss sich samt Kindern etwas Neues suchen. Aber auch junge Menschen, die nur für einige Jahre in der Region sind — und bei einem der beiden großen Unternehmen in der Umgebung, dem Autozulieferer ZF Friedrichshafen oder der BASF-Tochter Elastogran, arbeiteten. „Große Arbeitgeber helfen“, sagt Gendig als Vermieter. Und doch wohl nicht genug: Es gebe Zahlen, denen zufolge in seiner Gemeinde insgesamt 320 bis 400 Gebäude leer stehen und verfallen. „Das ist heftig!“
Es sind Gemeinden wie diese, um die sich Jörg Schnorrenberger vom Ring Deutscher Makler Sorgen macht: „Je weiter die Dörfer von einer Großstadt weg sind, umso größer ist die Gefahr, dass sie vergreisen oder aussterben.“ Denn was in den 70ern chic war — das Reihenhaus auf grüner Wiese — sei heute ein „No-Go“ auch für junge Familien. Das ländliche Leben brauche Förderung.
Und: „Das passiert gerade auch massiv. Die Gegenbewegung ist spürbar.“ Bahnanschlüsse und Park-and-Ride-Plätze entstünden und seien der richtige Weg. Denn: Menschen seien bereit, weit zu pendeln, wenn die Lebensqualität gewinnt — ein Freund von ihm gar vom Westerwald nach Erkrath.
Gegen die Verteuerung der Innenstädte indes hilft das nicht: „Dieser Zug ist nicht aufzuhalten“, meint Schnorrenberger. Laut Preisspiegel NRW des Immobilienverbands ist die Miete für eine gute Neubauwohnung (Erstbezug) etwa in Krefeld allein zwischen dem vergangenen und diesem Jahr von 8,50 auf zehn Euro gestiegen, in Solingen von 9,75 auf 10,50 Euro und in Wuppertal von 10,50 auf 11,50 Euro.
Jörg Schnorrenberger sieht etwa in Düsseldorf, wie der Zuzug weitaus größer ist als der neu entstehende Wohnraum, wodurch Hoch- zusehends die Normalverdiener verdrängten. Und das in immer weiteren Zirkeln um das Zentrum. „Die Innenstadt wird immer größer“, sagt der Experte. Für Angela, Tim und ihre kleine Ella sind das keine guten Nachrichten.