Haft auf Probe als allerletzte Warnung für Jugendliche

Jugendrichter Edwin Pütz über Chancen für Jugendliche, wie sie doch noch die Kurve kriegen können.

Foto: Nanninga, Bernd (bn)

Düsseldorf. Eine ganze Latte von Straftaten hatte eine 16-Jährige angesammelt. Zweimal hatte sie versucht, in der eigenen Schule Feuer zu legen. In einem Fall konnte nur das beherzte Eingreifen des Hausmeisters verhindern, dass Schlimmeres passierte. Außerdem gab es mehrere Verfahren quer durch das Strafgesetzbuch, vom versuchten Raub bis zum Diebstahl.

Bei einem Erwachsenen ein klarer Fall für eine Haftstrafe. Doch was einmal im Strafregister steht, verschwindet nicht wieder — und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Tore zum Wunschberuf für immer verschlossen bleiben. Die 16-Jährige bekam eine allerletzte Chance. Sie wurde zu einer Haftstrafe „auf Probe“ verurteilt und kann nun versuchen, noch die Kurve zu kriegen. Jugendrichter Edwin Pütz erklärt, was es damit auf sich hat. Grundsätzlich steht beim Jugendstrafrecht nicht die Bestrafung im Vordergrund. „Uns geht es um den Erziehungsgedanken“, erklärt Pütz. Es gebe keinen festen Strafrahmen und die Jugendrichter haben bei ihrem Urteil deutlich mehr Spielraum als ihre Kollegen, die erwachsene Angeklagte vor sich sitzen haben.

„Ich muss feststellen, ob bei den Jugendlichen schädliche Neigungen vorliegen“, so der Jurist. Das können schwere Charaktermängel sein, aber auch fehlendes Unrechtsbewusstsein oder nicht vorhandene Empathie. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es nicht lange dauert, bis die Delinquenten wieder auf der Anklagebank sitzen.

Und dann gibt es Fälle, bei denen sich die Jugendrichter nicht sicher sind, ob schädliche Neigungen vorliegen. Dazu bietet der Paragraf 27 des Jugendstrafrechts ihnen die Möglichkeit, den jungen Straftätern eine allerletzte Chance zu geben, wie bei der 16-Jährigen. Es können Haftstrafen „unter Vorbehalt“ verhängt werden. Das heißt, die Strafe wird zunächst nicht wirksam. Aber: Sobald die Verurteilten eine neue Straftat begehen, droht ihnen das Gefängnis.

„Die Betroffenen haben dann ein oder zwei Jahre Zeit, sich zu bewähren“, erklärte der Jugendrichter. Der Vorteil für die Jugendlichen: Wenn sie nicht wieder negativ auffallen,verschwindet der Eintrag komplett. Das heißt, er taucht auch nicht mehr im polizeilichen Führungszeugnis auf, das die meisten Arbeitgeber von ihren Bewerbern verlangen. Für Kandidaten wie die 16-Jährige ist es die finale Gelegenheit, den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden.

Ohne Unterstützung sei das schwierig, weiß Edwin Pütz. Junge Menschen, die mit ihren Problemen allein gelassen werden, haben deutlich schlechtere Prognosen als Angeklagte mit einem intakten privaten Umfeld. Wie viele Jugendliche nach der „Haft auf Probe“ ihre Chance tatsächlich nutzen, kann der Jugendrichter nicht sagen: „Aber ich habe ein deutlich besseres Gefühl, wenn die Eltern mit im Gerichtssaal sitzen.“ Dann hat der Jurist die Hoffnung, die Angeklagten nicht schon bald wiederzusehen.