Hoffest zum Start der Kunstpunkte
Die Atelierhäuser waren bei den Besuchern gefragt. Einzelkämpfer hatten es eher schwer.
Der Auftakt der diesjährigen Kunstpunkte hätte kaum fulminanter sein können als im „Weltkunstzimmer“ an der Ronsdorfer Straße. Diese Stiftung feierte ihr Fünfjähriges mit Künstlern, Musikern und Designern aus den Loftstudios. Ausrangierte Brandschutztüren mit den Spray-Arbeiten der einstigen Rocker und Punker standen wie Skulpturen auf dem Hof. In Schuppen und Containern spielten diverse Bands. Kürbissuppe wurde zur Stärkung aufgetischt. In allen Winkeln und Ecken der Hallen gab es Kunst. Akademieprofessor Gereon Krebber etwa zeigte ein surreales Mobile aus schwarzen Kunststoffratten.
116 Kunstpunkte standen am Wochenende auf dem Programm. Das schaffte selbst der beste Sportler nicht. Im Sturm genommen wurde der Offraum „Die Wohnung“, eine ganz normale Etagenwohnung im zweiten Stock an der Brunnenstraße. Dort wollte eigentlich Philip Wiehagen eine Performance geben. Rückenprobleme hinderten den jungen Mann daran. Er saß vielmehr am Computer, zeichnete Internet-Bilder und warf sie an die Wand. Die Besucher schauten ihm über die Schulter und nestelten selbst auf dem Tablet herum, wenn sie nicht mit Julia Reich klönten, der Mitorganisatorin des Treffs.
Anders im großen, weißen Studioraum des berühmten Choreographen und Tänzers Ben J. Riepe. Der Raum blieb leer. Ein einziger Gast trudelte am Samstag ein und stärkte sich am Schokoladenkuchen, den der Künstler in Stücke geschnitten und zu einem Turm aufgebaut hatte. Riepes Freunde sorgten für Unterhaltung, so dass das Warten auf Neugierige nicht langweilig wurde.
Im Atelier von Lea Peters, das sie für sechs Wochen im Kulturbahnhof Eller betreibt, entstand eine lustige Situation. Die Künstlerin hatte sich mit dem Genter Altar auseinandergesetzt und den Hauptraum in einen Andachtsraum verwandelt, aber sie selbst blieb aus familiären Gründen den Kunstpunkten fern. Und nun geschah das Erstaunliche, dass die Besucher frank und frei sagten, was sie von dieser Kunst hielten. Rüdiger R. fand die Machart etwas zu flott, als habe die Malerin unter Zeitdruck gestanden. Bettina S. verteidigte die Arbeiten. Sie bewunderte, wie der alte Bahnhof in einen Andachtsraum verwandelt wurde. Im Beisein der Künstler sind Besucher sonst eher schüchtern.
Leicht hatten es die Ateliers, die vom Shuttle-Bus angefahren wurden. Ein ganzer Pulk von Neugierigen wurde ins Studio von Katharina Schmitt gespült. Die Absolventin der Kunstakademie ist bestens bekannt und vernetzt, hat sie doch mit Alex Wissel die Kunstfilmtage aus der Taufe gehoben. Ohne Scheu berichtete sie, wie sie zwei Fotos am Computer vereint, aber zugleich Teile des Doppelbildes gelöscht habe, um anschließend den Ausdruck mit der Airbrush-Pistole zu verfremden. „Sieht schön aus“, meinte ein Gast kurz und bündig.
Während sich die Menschenmassen durch die Atelierhäuser an der Lierenfelder und Himmelgeister Straße schoben, hatten es Einzelkämpfer schwer. Milivoj Bijelic (Jg. 1951), einst Teilnehmer der Biennalen in Venedig und Sao Paulo, saß in sich versunken im Atelier am Gatherweg und wartete auf Gäste. Seine Werke mit einer an Leonardo da Vinci erinnernden Figur, die er „Homo Rebus“ nennt, hatte er in der Schublade versteckt. „Ich biete mich in dem Rennen um den Kunstmarkt nicht mehr an“, erklärte er, als sei ihm die ganze Veranstaltung nicht ganz geheuer. Aber absagen wollte er auch nicht.