Mieten Immer mehr Düsseldorfer leiden unter Mieterhöhungen

Düsseldorf · Aktuell steigen die Mieten zum Beispiel in einer Siedlung der LEG in Unterrath um bis zu 40 Prozent. Die Beratungszahlen beim Mieterverein steigen stark. Experten fordern stärkeres Gegensteuern der Politik.

Die LEG modernisiert zurzeit eine Siedlung Am Schneisbroich in Unterrath. Kräftige Mieterhöhungen sind die Folge.

Foto: Tom Budszus

Obwohl die Mieten in der Stadt bei neuen Verträgen zuletzt statistisch gesehen nicht mehr so stark stiegen und sogar stagnierten, haben immer mehr Düsseldorfer Probleme mit Mieterhöhungen. Das zeigen Zahlen des Mietervereins, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach wurde der Verein im Jahr 2009 noch in 1800 Fällen beratend tätig. 2015 war die Zahl schon auf 2323 gestiegen, 2017 lag sie bei 2647. Das ist ein Anstieg von fast 50 Prozent in neun Jahren. Ein zunehmendes Problem in Düsseldorf wie in anderen Großstädten: besonders große Sprünge nach Modernisierungen, wie Hans-Jochem Witzke, erster Vorsitzender des Mietervereins in Düsseldorf, sagt. Elf Prozent der Kosten dürfen auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden, die Bundesregierung will die mögliche Umlage aktuell nach unten korrigieren.

Ein prominentes Beispiel für Modernisierungen und extreme Mieterhöhungen ist eine Siedlung in Hassels, über das auch unsere Redaktion oft berichtete. Im Paket kauften und verkauften Immobiliengesellschaften die Siedlungen an der Fürstenberger und Potsdamer Straße mit 1500 Wohnungen. Die LEG als aktueller Eigentümer setzte die Erhöhungen durch, kündigte Mietern, eine Vielzahl von Prozessen folgte. In einem ähnlich gelagerten Fall berät der Mieterverein jetzt Mieter einer Siedlung in Unterrath Am Schneisbroich mit 122 Parteien. Laut Michaelo Damerow, Geschäftsführer des Mietervereins, steigen die Mieten dort nach dem noch bis März laufenden Einbau von Wärmedämmung, maroden Fenstern und Türen sowie erneuerungsbedürftigen Heizungen von rund 320 Euro auf 450 Euro. Damit steht eine Erhöhung von 40 Prozent im Raum. „Hier leben viele Witwen und Rentner, das wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vieler Bewohner übersteigen.“ Tatsächlich sagt uns eine Bewohnerin anonym, dass sie wohl wieder ausziehen müsse, die neue Miete zu bezahlen werde „sehr schwer“.

Der Mieterverein zielt hier wie so oft auf die unklare Definition von Modernisierung im Unterschied zur Instandhaltung, die nicht umgelegt werden darf. Laut Damerow sind hier von der LEG gerade einmal 7,6 Prozent von einer Investitionssumme von fast zwei Millionen Euro als Instandhaltung deklariert.

Die LEG äußerte sich am Mittwoch schriftlich auf Anfrage unserer Redaktion. Sprecherin Judith-Maria Gillies erklärte, dass die Miete durchschnittlich von 4,95 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter auf voraussichtlich 6,56 Euro steige. „Damit liegt die Miete auch nach der Modernisierung noch weit unter Marktniveau.“ Die LEG wolle ihre „treuen Mieter halten“, deshalb modernisiere man „mit Augenmaß“. Es gebe „keine Luxusmodernisierungen“, sondern Sanierungen, die den täglichen Wohnkomfort erhöhten.

Der grundsätzliche Standpunkt des Mietervereins ist hier sehr klar. „Modernisierungen sollten gar nicht auf die Mieter umgelegt werden können, da der Vermieter den Wert seines Objektes erhöht.“ Bei erheblichen Investitionen solle höchstens eine Einstufung in ein jüngeres Baujahr erfolgen. Außerdem fordert Witzke eine klare Definition von Instandhaltung und Modernisierung.

Welche Auswirkungen die Kombination auf Modernisierung und kräftiger Mieterhöhung hat, weiß auch Thomas Salmen. Der stellvertretender Vorstandsvorsitzende der Caritas Düsseldorf ist als Rechtsanwalt immer öfter als Beistand für betroffene Mieter gefragt, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagt. „Das ist eine große seelische Belastung für die Menschen.“ In einem Fall sei ein Klient sogar in eine anhaltende Depression verfallen, also krank über die drohende Mieterhöhung geworden.

Salmen sieht generell verheerende Auswirkungen der hohen Mieten in der Stadt. „Ein zunehmendes Problem wird etwa der Fachkräftemangel. Aber Azubis können sich keine Wohnung in Düsseldorf leisten.“

Das sieht auch Soziologe Reinhold Knopp, Professor an der Hochschule Düsseldorf, so. Neben den Azubis zögen auch immer weniger Studenten nach Düsseldorf, was große Auswirkungen auf das Leben in der Stadt habe. Es werde auch immer schwerer, Wohnungslosen eine Chance zu geben.

Für Salmen wie Knopp ist die Politik gefragt. „Sie muss öffentliche Mittel für den Bau günstigen Wohnraums bereit stellen.“ Knopp geht noch weiter. „Man muss sogar über einen Mieterhöhungsstopp nachdenken.“ Sie solle nur mit der Inflationsrate steigen dürfen. Wenn Investoren zu diesen Bedingungen nicht mehr bauen wollten, solle das die städtische Wohnungsgesellschaft in noch viel größerem Maße übernehmen, „und dafür sogar Schulden machen. Wohnen ist ein Menschenrecht.“ Allerdings würde Wohnen angesichts niedriger Zinsen immer mehr zum Spekulationsobjekt für Investoren. Der Mieterverein hat hier neben der LEG etwa auch den Wohnungskonzern Vonovia im Visier. Knopp empfiehlt, sich von der „Investorengläubigkeit zu verabschieden“ und politische Schritte, die den Menschen zeigen, dass sich wirklich etwas ändert.