Interview mit Manfred Neuenhaus: „Freiheit heißt auch Verantwortung“

Eine kurze Leine für Kulturinstitute möchte die FDP. Manfred Neuenhaus, Chef der Ratsfraktion, sieht die Kunsthalle als Vorbild.

Foto: David Young

Düsseldorf. Die künstlerische Freiheit und die Finanzen sind allein Sache des Schauspielhauses. Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestimmt sie über beides autonom, muss allerdings dem Aufsichtsrat gegenüber Rechenschaft ablegen. In den vergangenen Jahren ist gerade am Gründgens-Platz vieles schiefgegangen, über ein Loch von 5,4 Millionen Euro konnte schließlich niemand mehr hinwegsehen. Was nutzt also Unabhängigkeit, wenn man sie nicht zu händeln weiß. Die CDU, vor allem jedoch die FDP pocht auf mehr Eigenständigkeit der Kulturinstitute. Vor der heutigen Sitzung des Kulturausschusses sprachen wir mit Manfred Neuenhaus, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion.

Herr Neuenhaus, wollen Sie nach dem Debakel am Schauspielhaus ernsthaft weitere Kulturinstitute mit mehr Freiheit beglücken?

Manfred Neuenhaus: Aber ja! Wenn Sie künstlerische Freiheit gewähren, müssen Sie damit rechnen, dass mal etwas schief läuft.

Das ist ein milder Blick auf ein Defizit von 5,4 Millionen Euro und halbleere Säle. Und das alles, ohne dass der Aufsichtsrat etwas gemerkt hat.

Neuenhaus: Wir warten jetzt erst mal den Prüfbericht ab. Was selbst Wirtschaftsprüfer nicht gemerkt haben, konnten auch wir im Aufsichtsrat nicht sehen.

Sie meinen also nach wie vor, dem Schauspielhaus hat die Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gut getan?

Neuenhaus: Ja, es kann doch nicht sein, dass wir anfangen, künstlerische Leiter in ihren Rechten zu beschneiden, nur weil einer nicht rechnen kann. Dann muss ich eben die Abläufe ändern. Sie müssen das mal umdrehen. Als Gustaf Gründgens als Intendant angefangen hat, war das Theater ein städtisches Amt. Und dann hat Gründgens gesagt: Entweder wir kriegen unsere Freiheit — oder ich bin weg. Stellen Sie sich vor, heute würde ein Amt darüber entscheiden, welcher Schauspieler auf der Bühne steht. Wir leben doch nicht mehr in Zeiten des Hoftheaters, als Fürsten die Kunst bestimmten.

Herr Becker, Chef der Tonhalle, wünscht sich schon lange die Unabhängigkeit von der Stadt. Was halten Sie davon?

Neuenhaus: Die Eigenständigkeit der Tonhalle ist in unseren Augen überfällig. Die künstlerische Leistung von Herrn Becker ist unbestritten, und er möchte das Haus weiterentwickeln und zum Beispiel mehr erstklassige internationale Konzerte einkaufen. Ihm muss jedoch klar sein, dass er dann auch die wirtschaftliche Verantwortung für das Haus trägt. Freiheit heißt auch Verantwortung.

Becker will genau das und auch ein Großteil der Politik — warum ist die Tonhalle noch eine städtische Einrichtung?

Neuenhaus: Es wollen anscheinend doch nicht alle.

Ist die Stadt etwa beleidigt, weil Becker öffentlich über zu wenig Geld geklagt hat?

Neuenhaus: Die Archive sind voll mit Geschichten, wer mit wem nicht konnte. Das ist manchmal so, darf aber für uns keine Richtschnur sein. Es gibt übrigens ein Institut, das seine Freiheit sehr gut nutzt: die Kunsthalle Düsseldorf, eine gemeinnützige GmbH.

Inwiefern?

Neuenhaus: Herr Jansen wirbt fast die gesamten Mittel für seinen Ausstellungsetat alleine ein. Er übernimmt Verantwortung für sein Haus. Das ist vorbildlich. Ich habe aber auch gelernt, dass man den Instituten Planungssicherheit geben muss. Das heißt, wenn ein Haus die Eigenständigkeit anstrebt, muss man mit ihm Leistungsverträge aushandeln. Vergleichbar mit denen, welche die Stadt mit den Sozial-Verbänden hat.

Wollen Sie für alle Düsseldorfer Kulturinstitute die Eigenständigkeit erreichen?

Neuenhaus: Nein, man muss das im Einzelfall prüfen. Aber ich glaube fest daran, dass man grundsätzlich dadurch das beste künstlerische Ergebnis erzielen kann. Wir haben einen Kulturetat von 120 Millionen Euro — ohne Baukosten. Wenn wir so viel ausgeben, dann müssen wir auch schauen, wie die Qualität erhöht werden kann. Und wo das durch Verwaltungsstrukturen verhindert wird. Alle Gelder im Kulturetat der Stadt sind Steuergelder — es ist die Pflicht der Politik auf Effizienz und Qualität zu achten.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Oper?

Neuanhaus: Die Oper leistet sehr gute Arbeit, spielt jedoch nicht unter den Top 5 in Deutschland mit. Das ist keine Kritik am Haus, aber als Kulturpolitiker muss ich die Frage stellen, ob da nicht mehr geht. Eventuell auch, indem ich mehr Geld drauf gebe. Beim Ballett haben wir genau das getan und ziehen dank Martin Schläpfer jetzt mit London und Brüssel gleich.

Mehr Geld für die Oper, die mit dem Ballett einen öffentlichen Zuschuss von jährlich 25 Millionen Euro braucht?

Neuenhaus: Häuser in anderen Städten erhalten doppelt so viel. Auf Dauer möchte ich den Kulturetat insgesamt erhöhen. Aber es gilt auch zu überlegen, wie ich Sponsoren gewinnen und an anderer Stelle sparen kann. Konkret für die Oper bedeutet das, zu untersuchen, ob die Steuergelder hinter der Bühne sinnvoll ausgegeben werden. Also, wie viele Schuhmacher brauche ich, wie viele Schneider in den Werkstätten?

Da reiben sich die Unternehmensberater schon wieder die Hände.

Neuenhaus: Eine solche Untersuchung müssen wir natürlich mit Prüfern vom Fach machen. Sonst lautet der Vorschlag hinterher, unser Orchester aufzulösen.