Interview mit Fortuna Düsseldorfs Ex-Trainer Wie geht es Friedhelm Funkel? „Jetzt bin ich Herr meiner Zeit“

Krefeld. · Interview: Nach 50 Jahren im Profifußball hat Friedhelm Funkel Terminhast gegen Freiräume getauscht

Friedhelm Funkel über vier Jahrzehnte in der Bundesliga als Spieler und Trainer aktiv, genießt nach dem Abschied bei Fortuna Düsseldorf die Zeit.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Durch die Trennung von Fortuna Düsseldorf war seine Karriere Ende Januar 2020 abrupt beendet. Mit Friedhelm Funkel (66) fehlt daher vor der kommenden Fußballsaison ein über rund 50 Jahre erfolgreicher und anerkannter Profi und Trainer. Wie hat sich sein Leben entwickelt? Wie sieht sein Alltag aus? Wie verfolgt er den Fußball? Im exklusiven Interview mit der Redaktions-Kooperation G14plus, der auch diese Zeitung angehört, gibt Friedhelm Funkel dazu Auskunft und blickt auf seine frühere Tätigkeit zurück. Er erinnert sich an einen missglückten, aber prägenden Ausflug in die Filmwelt. Und der mit sechs Bundesliga-Aufstiegen erfolgreichste Trainer erzählt, dass er ein weiteres Mal eine Spielklasse nach oben geklettert ist.

Herr Funkel, die Saisonvorbereitung läuft bei den Fußballvereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga auf Hochtouren. Ganz ungewohnt: Sie sind nicht dabei! Wie fühlt sich das an?

Friedhelm Funkel: Wenn ich Bilder aus den Trainingslagern sehe, denke ich manchmal: Mensch, da wärst du jetzt wahrscheinlich auch. Auf der anderen Seite könnte ich das, was ich im Moment sehr genieße, nicht machen. Zum Beispiel mal für ein paar Tage an die Nordsee nach Holland oder Sylt fahren oder nach Österreich zum Wandern. Reisen im momentan verantwortbaren Rahmen. Heute kann ich ganz klar sagen, dass mir die Trainertätigkeit, die ich mit großer Begeisterung genau 30 Jahre ausgeübt habe, nicht mehr fehlt.

Gab es nach der Trennung von Fortuna Düsseldorf keinen Abschiedsschmerz?

Funkel: In den ersten 14 Tagen hatte ich daran ziemlich zu knabbern – gar keine Frage. Am Anfang hat mich diese Entscheidung sehr getroffen. Erlebt hatte ich so etwas ja schon einige Male. Angenehm war das nie, jetzt aber anders. Weil ich nicht damit gerechnet hatte. Und weil es zur Konsequenz hatte, dass ich im Trainerberuf nichts mehr machen würde, wenn ich bei der Fortuna aufhöre oder aufhören muss. Das hatte ich ja schon zwei Jahre zuvor angekündigt. Die ersten 14 Tage waren relativ schwer.

Wie haben Sie sich aus dem Tief befreit?

Funkel: Ein Stück weit hat mir die schlimme Gesamtsituation durch Corona geholfen. Weil es plötzlich monatelang keinen Fußball gab, kein Training in herkömmlicher Form, keine Bundesliga. Inzwischen ist der Fußball wieder zurück. Das ist schön, auch für mich, denn natürlich interessiert mich Fußball nach wie vor. Auch würde ich gerne wieder ins Stadion gehen, was wir leider noch nicht dürfen. Keine Frage, dass ich die Spiele verfolge wie zuletzt die Champions League. Aber ich sehe die Spiele jetzt aus einem anderen Blickwinkel.

Sie wachen nie mit dem Gedanken auf: Jetzt musst du los zum Training?

Funkel: Nein. Diese Zeiten sind in der Tat vorbei. Jetzt bin ich Herr meiner Zeit! Und das genieße ich einfach. Ich kann alles selber bestimmen. Was ich mache. Und auch, was ich nicht mache. Und das nach 51 Berufsjahren, die ich insgesamt gearbeitet habe, vier Jahre Lehre eingeschlossen. Nach den sieben Monaten, die diese Veränderung ja erst zurückliegt, genieße ich zunächst vor allem die Freizeit.

Was gefällt Ihnen noch am neuen Leben?

Funkel: Zum Beispiel die Möglichkeit, beim Frühstück mit meiner Frau einfach mal eine Stunde lang zusammenzusitzen. In der früheren Terminhatz undenkbar. Unsere Enkelkinder – das vierte ist unterwegs – sehe ich nun viel öfter. Auch das sind schöne Aufgaben, die ich vorher nie richtig wahrnehmen konnte. Oder etwas ganz Banales: Kürzlich haben wir uns mit fünf Jungs zum Minigolf getroffen. Da mögen Leute lachen, aber das macht so viel Spaß. Der Verlierer musste eine Runde Eis ausgeben.

Also keine Langeweile?

Funkel: Keine Spur. Manchmal gibt es Termine bei Fernsehsendern oder Interviews wie dieses. Die „Rheinische Post“ hat wegen einer Kolumne angefragt. Und vielleicht verspüre ich nach gewisser Zeit ja Lust, so etwas regelmäßiger zu machen. Auch gibt es Freiraum für den sozialen Bereich, für Besuche auf Stationen mit schwerkranken Kindern oder in ähnlichen Einrichtungen. Das alles zusammengenommen füllt mich aus.

Neu-Rentnern wird geraten, sich ausreichend Beschäftigung zurechtzulegen, wenn die Hektik plötzlich nachlässt. Haben Sie sich besondere Ziele gesetzt?

Funkel: Auch ich höre oft: Du musst dir doch eine richtige Aufgabe suchen. Golf spiele ich noch immer nicht. Aber weiter Tennis in der Medenmannschaft des Crefelder HTC, Herren 55, jetzt in der Niederrhein-Liga, nachdem wir völlig überraschend aufgestiegen sind. Da haben wir allerdings keine Chance. Diese Liga ist für uns einfach zu hoch. Andere Mannschaften kaufen sogar holländische Topspieler ein. Auch deshalb verlieren wir jedes Spiel. Wir kommen da mehr über die Gemeinschaft. Solche Kontakte haben mir schon immer viel bedeutet, sie möchte ich weiter pflegen in unserem engen Freundes- und sehr großen Bekanntenkreis.

Schon aufgrund vieler Veränderungen, unter anderem im Medienbereich, mussten Sie sich als Trainer weiterentwickeln. Wie weit kann man als älter werdender Mensch auch problemlos mit immer jüngeren Spielern mitgehen?

Funkel: Dass der 66-jährige Trainer andere Interessen hat als der 20-jährige Spieler, ist doch ganz normal. Da gehen die Geschmäcker halt auseinander. Ob das Musik oder Kleidung betrifft oder auch, dass sich Spieler heute noch einmal vor den Spiegel stellen, um gestylt aufzulaufen. Aber das muss man einfach akzeptieren.

Solange der Frisör nicht in der Kabine steht …

Funkel: . . . auch darüber habe ich mit Spielern offen gesprochen und gesagt: Es muss doch nicht sein, dass der Frisör am Abend vor dem Spiel ins Mannschaftshotel kommt. Deshalb gewinnt oder verliert man zwar kein Spiel, es kann aber ein bisschen zu viel Ablenkung sein. Verboten und kontrolliert habe ich es nie, vorgekommen ist so etwas bei uns nicht – glaube ich.

Sind Ihnen dabei eigene „Jugendsünden“ eingefallen?

Funkel: In Uerdingen habe ich mich mal zu einem Fehler überreden lassen. Für einen Imagefilm wurde ich in ein „Superman“-Kostüm gesteckt und bin, aufgehängt an einem Kran, durch die Gegend geflogen. Außerdem spielte ich Humphrey Bogart beziehungswiese Rick Blaine aus „Casablanca“. Mit dem Wissen von heute hätte ich das nicht gemacht. Und wahrscheinlich würden aktuelle Spieler in 25 Jahren ebenso auf manches von heute verzichten. Für meine Spieler hatte ich immer ein wenig Verständnis, habe an ihre Vernunft appelliert statt zu verbieten. Damit bin ich 30 Jahre gut gefahren. Im höheren Alter kam neben Erfahrung mehr Gelassenheit dazu. An richtigen Stress mit einem Spieler kann ich mich nicht erinnern. Auch deshalb habe ich es bis zum letzten Tag wirklich genossen, Trainer sein zu dürfen.

Das klingt nach einem zufriedenen Fazit.

Funkel: Meinen Beruf habe ich trotz des Drucks und aller Termine immer geliebt. Deshalb würde ich mich im Rückblick nie darüber beschweren, dadurch Freizeit vermisst zu haben. Dafür hat dieser Beruf mich zu sehr ausgefüllt, als Spieler wie als Trainer.

Fehlte dennoch etwas?

Funkel: Den DFB-Pokal hätte ich auch als Trainer gerne mal in der Hand gehabt – ein realistischerer Titel als die deutsche Meisterschaft. Mit Duisburg und Frankfurt standen wir – beide Male gegen die Bayern – knapp davor zu gewinnen, was mir als Spieler ja gelungen ist. In diesem Jahr wäre es auch möglich gewesen, mit der Fortuna über das Viertelfinale hinaus ganz weit zu kommen. Aber ich bin durchweg zufrieden mit dem, was ich als Spieler wie als Trainer erreicht habe. Und nun genieße ich das Andere – ohne das Berufliche zu vermissen. Früher war es für mich ein Privileg, im Fußball arbeiten zu dürfen. Jetzt ist Zeit mein Privileg.