Antisemitismus Jüdische Gemeinde stellt Hassbriefe aus
Düsseldorf. · Die feindlichen Zuschriften sind Teil einer Ausstellung zu Antisemitismus, die ab heute in der Mahn- und Gedenkstätte zu sehen ist.
17 hasserfüllte Zuschriften, die die Jüdische Gemeinde Düsseldorf in den vergangenen Jahren erhalten hat, hängen jetzt an den Wänden der Mahn- und Gedenkstätte. Neben handschriftlichen Briefen und Postkarten sind auch E-Mails zu sehen, viele von ihnen mit dem Namen des Absenders unterzeichnet – selbstverständlich geschwärzt. Sie sind nur ein Bruchteil aller Hass- und Drohbriefe an die Gemeinde, aber sie zeigen in aller Deutlichkeit: „Antisemitismus ist eine reale Bedrohung für jüdische Menschen in Deutschland.“ Mit diesen Worten führt Bastian Fleermann, der Leiter der Gedenkstätte, in die Ausstellung ein.
Der erste Drohbrief, nur ein Satz in maschineller Schreibmaschinen-Schrift auf weißem Papier, ist zum Titel der Ausstellung geworden: „Ich wäre an eurer Stelle sehr sehr vorsichtig.“ Diesen und die weiteren Briefe hat die Jüdische Gemeinde Düsseldorf zur Verfügung gestellt, wofür Fleermann sich bei der Führung, die im Vorfeld der Eröffnung stattfand und an der auch Oberbürgermeister Thomas Geisel teilnahm, bedankt. „Ich finde es gut, dass wir damit an die Öffentlichkeit gehen“, sagt Fleermann an Michael Rubinstein gewandt, der seit April dieses Jahres die Gemeinde leitet.
Rubinstein weiß aus seinen Erfahrungen sowohl privater als auch beruflicher Art: „Worte können gefährlicher und schmerzhafter sein als so manche Gewalttat.“ Er war zehn Jahre alt, als er und seine vier jüdischen Mitschüler von einem Klassenkameraden beschimpft wurden. An die Worte erinnert sich der heute 47-Jährige noch genau. „Man hätte euch mit vergasen sollen.“ Das war nicht der einzige Vorfall. „Wenn Investitionen in der Schule anstanden, hörten wir oft: Ihr Juden seid doch alle reich, dann könnt ihr auch bezahlen.“ Erlebnisse wie diese gehören zur Lebensrealität von Juden in Deutschland, ist sich Rubinstein sicher.
Unter den Gemeindemitgliedern steige die Verunsicherung.
Zwar könne man glücklicherweise noch nicht von einer Auswanderungsbewegung sprechen, „aber viele Abiturienten unserer Gemeinde haben sich entschieden, Deutschland für ihr Studium zu verlassen – weil sie sich hier nicht mehr sicher fühlen“. Die Schulzeit ist prägend für das ganze Leben. Deswegen richtet sich die Ausstellung insbesondere an Schüler und Lehrkräfte, sie wird ergänzt von einer zweiten Ausstellung: „Du Jude! – Alltäglicher Antisemitismus in Deutschland“. Darin wird der Judenhass der Gegenwart beleuchtet, und zwar in Bereichen, die neben der Schule zur Lebenswelt von Heranwachsenden zugehören: etwa Sport, Soziale Netzwerke und die Musik. So wird auf einer der 21 Stelltafeln erklärt, wie Liedtexte antisemitische Stereotypen und rechtsextreme Ideologien transportieren.
Auch jüdische Menschen selbst kommen zu Wort. Darunter eine 17-jährige Schülerin aus Köln, die ihre Kette mit dem Davidstern nicht mehr trägt, weil „man wirklich jedes Mal einen Kommentar dazu kriegt“. Die historische Dimension von Judenfeindlichkeit wird ebenfalls umrissen – allerdings nur knapp, der Fokus liegt deutlich auf der Gegenwart.
Die Zahl der antisemitischen Straftaten wächst seit Jahren
Die Gedenkstätte bringt sich damit aktiv in die Präventionsarbeit ein – dass das einmal so notwendig sein würde wie heute, habe Bastian Fleermann vor ein paar Jahren noch nicht erwartet. Die Zahl der antisemitischen Straftaten wächst seit ein paar Jahren, das belegen Kriminalstatistiken. Die Hassbriefe hingegen sind kein neues Phänomen, der erste in der Ausstellung geht auf das Jahr 1992 zurück. Doch etwas hat sich geändert: „Früher wurden die Briefe anonym versendet – heute sind viele von ihnen mit vollem Namen unterschrieben“, sagt Michael Rubinstein. Auch in Sozialen Netzwerken würden Beleidigungen und Bedrohungen von einsehbaren Nutzerprofilen verschickt. „Der Antisemitismus ist heute enthemmter“, so Rubinstein.
Mit all diesen Informationen und Zeugnissen davon, wie real die Bedrohung für jüdische Menschen in Deutschland nach wie vor ist, sollen Schüler und Lehrer jedoch nicht alleine gelassen werden. Die Ausstellung schließt mit einigen Handlungsmöglichkeiten: Es werden Anlauf- und Beratungsstellen genannt, bei denen Betroffene Unterstützung finden. Vor allem aber steht am Ende die Botschaft: Die gezielte Auseinandersetzung mit Judenfeindlichkeit ist nötig – und zwar nicht allein in Form von Erinnerung an damals, sondern auch indem das Heute vor Augen geführt wird. Dafür bietet die Ausstellung nicht nur Lehrkräften eine Grundlage, auf die sie aufbauen und für das Geschehen in unserer Gesellschaft sensibilisieren können.