Interview zum Radikalenerlass
Vor 40 Jahren führte der Radikalenerlass für tausende Lehrer zum Berufsverbot — auch für den Gerresheimer Uwe Koopmann.
Düsseldorf. Ob Postbote, Lokomotivführer oder Lehrer: Tausende wurden in der Bundesrepublik vom Verfassungsschutz mit einem Berufsverbot belegt, wenn „ihre aktive Verfassungstreue“ nicht zweifelsfrei feststand oder wenn sie Mitglied in einer „verfassungsfeindlichen Organisation“ waren — das bezog sich fast immer auf die DKP, die Deutsche Kommunistische Partei.
So stand es im vor fast genau 40 Jahren erlassenen „Radikalenerlass“. Er betraf auch den Gerresheimer Uwe Koopmann, der 15 Jahre lang warten musste, bis er nach dem Referendariat endlich in die Schule durfte.
Herr Koopmann, im Sommer endet Ihre Lehrerzeit schon wieder, Sie gehen nach nur 20 Jahren im Schuldienst in Ruhestand. Hat der Staat Sie um ihre Rente betrogen?
Koopmann: Um die Altersbezüge geht es mir weniger, ich habe sehr früh angefangen, zu arbeiten, also auch zu „kleben“. Aber natürlich hat dieser Staat mir 15 Jahre Lehrerdasein gestohlen durch das Berufsverbot von 1977 bis 1992.
Zu dem es damals wie gekommen ist?
Koopmann; Nun, ich hatte mein Referendariat in einem Oldenburger Gymnasium absolviert und sollte an einem Montag im Jahr 1977 ganz regulär als Lehrer für Deutsch und Geschichte in Brake an der Unterweser anfangen. Doch am Samstag kam ein Brief aus dem Ministerium, man bat mich zur Anhörung, weil es Anhaltspunkte gebe, dass ich Sympathisant der DKP sei. Der Direktor wusste erst von nichts, die Schüler haben spontan für mich demonstriert, doch es half alles nichts.
Aber es stimmte, Sie waren bei der DKP?
Koopmann: Ja, ich bin ein paar Jahre davor aus der SPD ausgetreten, nicht zuletzt wegen des von der Regierung Brandt erlassenen „Gesinnungs-Tüv“. Ich habe dann vor zwei Gerichten in Niedersachsen gegen mein Berufsverbot geklagt, bin aber gescheitert.
Und was haben Sie dann gemacht?
Koopmann: Ich habe erst in einer Buchbinderei in Oldenburg gearbeitet, bevor ich an die dortige Universität in die Öffentlichkeitsarbeit wechseln konnte. Damit war ich genauso im öffentlichen Dienst, das war im Grunde ein Witz, wobei ich dem damaligen Uni-Rektorat dankbar bin, dass es mich gehalten hat, obwohl es genau wusste, wer ich war. 1986 bin ich nach Düsseldorf gekommen, habe erst ein paar Jahre Öffentlichkeitsarbeit für die DKP an der Prinz-Georg-Straße gemacht. Als die Partei ihren Apparat nicht mehr finanzieren konnte, habe ich für eine Werbeagentur gearbeitet.
Wie kamen Sie in die Schule?
Koopmann: Formal ist der Radikalenerlass ja nie aufgehoben worden, aber seit den 80er-Jahren haben die Bundesländer peu à peu diese Praxis beendet. Ich bekam zunächst aus Osnabrück ein Stellenangebot an einer Schule, damit bin ich dann zum NRW-Ministerium und 1992 konnte ich an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule in Dormagen loslegen.
Mal provokant gefragt: War es wirklich so verkehrt, einen strammen Kommunisten wie Sie nicht auf Kinder loszulassen?
Koopmann: Ja, das war völlig ungerechtfertigt. Für mich als Lehrer war das politische Neutralitätsgebot immer bindend, ich habe Schüler nicht indoktriniert.
Bei einem so streitbaren Linken ist das kaum zu glauben. Die Beeinflussung kann ja auch subtiler erfolgen, sie fängt ja bei der Quellen- oder Literaturauswahl an.
Koopmann: Das könnte so sein, ja. Aber Schüler schalten bei Propaganda ohnehin ganz schnell ab, das klappt nie. Ich wäre wohl auch kaum zu einem Verbindungslehrer der Landesschülervertretung gewählt worden. Überparteilichkeit und Objektivität heißen ja im Übrigen nicht, dass man sich selbst in der Schule verleugnen müsste. An meiner Gesamtschule etwa pflege ich eine AG zur Friedenspädagogik.
Was würden Sie denn sagen, wenn ein NPD-Mitglied als Lehrer arbeiten würde?
Koopmann: Das wäre schon schwer erträglich, eigentlich hat so jemand an einer Schule nichts zu suchen. Allerdings müsste man ihm letztlich stets rechtlich etwas nachweisen.
Sie engagieren sich weiter für die DKP in Gerresheim. Wollen Sie zurück in die Bezirksvertretung?
Koopmann: Warum nicht? Es ist schon leichter, mit einem Mandat, politisch etwas zu bewirken. Ich glaube, das habe ich in den zehn Jahren in der BV bewiesen.