Jan Wellem: Düsseldorfs „Sonnenkönig“
Jan Wellem stand nicht nur für Prunk und Kunst. Er hielt auch lange den Krieg aus der Stadt und setzte sich für den Bau von Laternen ein.
Düsseldorf. Seit mehr als 300 Jahren reitet er schon auf dem Rathaus-Marktplatz auf einem Hengst, der in einer Haltung verharrt, als nimmt er gerade beim strengen olympischen Dressurreiten teil. In der rechten Hand hält er den „Kommandostab“, die Allongeperücke auf dem Kopf hilft ihm beim Tragen des großen Kurhutes. Mit der linken Hand führt er das Ross, was symbolhaft auch das Führen eines Staates darstellt. Fast komplett gepanzert trägt er über der Brust den Orden vom Goldenen Vlies und das Band des Hubertusordens. Immer wieder war das Bronze-Denkmal in den vielen Jahren in Gefahr, abtransportiert zu werden. Zuletzt wurde es aus Angst vor Kriegszerstörungen mit einem Holzverschlag gesichert, dann aber später 1944 in einen Gerresheimer Stollen untergebracht. Im Dezember 1945 kehrten „er“ und sein Pferd zu seinen Untertanen in einem umjubelten Triumphzug zurück.
Schon mancher Zeitgenosse ist zu Karneval, aus einer Wette heraus oder aus anderen (feuchtfröhlichen) Anlässen schon einmal auf den Rücken des Pferdes geklettert. Touristenprospekte, gedruckte Stadtführer oder tausende Gruß-Postkarten zeigen ihn in seiner ganzen Pracht.
Heinrich Heine erinnerte sich in einem vielzitierten Text daran, wie viele Apfeltörtchen man doch vom Silber im Gussmaterial hätte kaufen können. Auch Heinrich Spoerls komödiantischer Roman „Maulkorb“ könnte sich gut rund um das Reiterdenkmal abgespielt haben . . .
In der „Werbestadt“ Düsseldorf findet man ihn immer wieder auf Plakaten, in Comics oder auf Verpackungen für Süßwaren. Da schlürfte er auch schon mal mit seinem Pferd ein Altbier, und vielleicht pafft noch jemand genüsslich Zigarillos mit seinem Namen?
Aber wer ist denn dieser „Er“? Die Rede ist von Kurfürst Johann Wilhelm II. (siehe Kasten). Er und sein Wirken gehören zu den Höhepunkten Düsseldorfer Stadtgeschichte. Wie ein vertrauter, heldenhafter Landesvater wird er meist nur liebevoll „Jan Wellem“ genannt. Seinen Untertanen „greifbar“ nahe war er aber genauso wenig wie auch die „Story“ wahr ist, dass seine zweite Ehefrau ihm ins nahe gelegene Wirtshaus „En de Canon“ heimlich folgte, um zu sehen, ob er sich mit einer Mätresse trifft. Alles wohl ins Reich des Hofklatsches gehörig. Seine Ehe soll glücklich gewesen sein, frei von „Frauen-Geschichten“.
Als machtbesessener und extrovertierter Barockfürst seiner Zeit, war er von Glanz und Schein umgeben, der nach außen hin auch teilweise für das heutige Düsseldorf stehen könnte. In seiner Person vereinten sich internationales Flair, Kunst, rheinischer Frohsinn, Offenheit, Toleranz, „Leben und leben lassen“ oder ein aufwändiges Party-Leben . . .
Nicht so sehr als großer Politiker oder Stratege blieb Jan Wellem in Erinnerung, sondern mit nachhaltigem Ausbau der Residenzstadt Düsseldorf zu einer Kunst- und Kulturstadt und die damit verbundene Belebung des Alltags in der Stadt. Das i-Tüpfelchen war dabei die berühmte Gemäldegalerie, ein kulturelles europäisches Zentrum seiner Zeit. In Erinnerung bleibt vor allem sein glanzvolles Leben bei Hofe mit Bühnenspektakeln oder bunten Maskenbällen, das er dank seiner italienischen Gemahlin und deren Geld führen konnte.
Beide wetteiferten zudem als Kunstsammler miteinander. Wacklige Finanzierungen ermöglichten Jan Wellem die Realisierung militärischer oder architektonischer Projekte. Viele Laternen in der Stadt — mehr als in Paris —, die „taktische Toleranz“ gegenüber nichtkatholischen Kirchengemeinden, gepflasterte Straßen, Schiffsfähre, Kasernenbau, Müll-Verordnungen oder Ähnliches verklärten die Sichtweise der Bevölkerung auf diesen „Strahlemann“, der es aber auch schaffte, viele Jahre den Krieg aus der Stadt zu halten. In Konferenzsälen und an den Höfen des Reiches galt das Wort Jan Wellems als gewichtig, auch wenn seine vielen politischen Ziele sich nicht erfüllten.