Kaleidoskop zwischen Theater und Trickfilm

Die Oper und das Ballett am Rhein präsentieren Ravels „L’enfant“ und Strawinskys „Petruschka“ gänzlich zauberhaft.

Foto: Hans Jörg Michel

Die Künste des Zeichentricks, der Oper und des Balletts wirbeln durcheinander in der Neuinszenierung von Igors Strawinskys „Petruschka“ und Maurice Ravels „L’enfant et les sortilèges“ — „Das Kind und der Zauberspuk“. Paul Barritt, der die Animation gestaltet, ist für das Rheinopern-Publikum kein Unbekannter, hat er doch auch in der Erfolgsproduktion von Mozarts „Zauberflöte“ schon die quirligen Trickfilmeffekte herbeigeführt.

Foto: Hans Jörg Michel

Zauberei ist auch jetzt wieder im Spiel: Sowohl das Strawinsky-Ballett als auch die Ravel-Oper führen den Zuschauer in Magier-Welten — ob nun auf der Schaubuden-Ebene von „Petruschka“ oder der Traumwelt des renitenten Kindes, dem in einer Art Trance die Opfer seiner Schandtaten begegnen und einen Prozess von Reifung und Reue auslösen. Barritt sowie die beiden Regisseurinnen Suzanne Andrade und Esme Appleton zeigen hier viel Sinn fürs Skurrile, das mal beängstigend, mal amüsant oder beides zugleich sein kann.

Bühnenbild und Kostüme sind inspiriert von der modernen Kunst der Entstehungszeit. Der Betrachter fühlt sich stark hineinversetzt ins ganz frühe 20. Jahrhundert, das uns heute wie eine Art Ur-Moderne erschein, wie der Beginn einer bürgerlichen Kultur, an der sich bis heute nichts Grundlegendes geändert hat, was besonders deutlich wird beim Beobachten des Jahrmarktstreibens. Einige der überlebensgroß gezeichneten Figuren wirken ein bisschen wie von Heinrich Zille, Max Beckmann oder eben Strawinskys Co-Autor Alexander Benois aufs Papier gebracht. Somit bewegt sich die Inszenierung der „Petruschka“ nah an der Uraufführungs-Ästhetik.

Durch die Animation und die große weiße Projektionswand, in der so viele Türchen und Törchen eingelassen sind wie in einen Adventskalender, gelingt eine geradezu berauschende Mixtur aus Tanz und Film. Es gibt gruselige Szenen mit dem bösen Magier, der auf grausame Weise sein Puppen-Trio tanzen lässt, und witzige Momente, wenn etwa der kleine Clown Petruschka aus der Handtasche einer siebenmal so großen Jahrmarktbesucherin winkend im Kettenkarussell mitfährt. Das Ballett selbst entwickelt sich derweil zu Verbindung von Ausdruckstanz und Artistik.

Auf das etwa 40-minütige Strawinsky-Ballett folgt die ebenso kurze Ravel-Oper. Auch hier wird getrickst und gezaubert, was das Zeug hält. Barrits Technik ist für Ravels „Zauberspuk“ geradezu ideal. Ob die vom Kind beschädigte Wanduhr, die Prinzessin und andere Fantasiefiguren aus dem im Pubertätsschub zerrissenen Bilderbuch — all die Dinge werden durch die Animation von Zeichnungen eindrucksvoll vor Augen geführt. Auch hier gibt es humorige Momente, etwa wenn das Kind von Katze und Kater wie eine Maus gejagt wird. Um zu zeigen, dass sie das Kind fressen wollen, lassen sie aus zwei großen gemalten Streuern schon mal Pfeffer und Salz auf ihre lebende Mahlzeit rieseln. Die Sänger, beispielsweise Kimberley Boettger-Soller in der Rolle des Kindes, treten entweder kostümiert auf, oder singen versteckt aus dem Off, wenn ihre Figuren als Zeichnung durchs Bild laufen. Das geschieht im virtuos-fliegenden Wechsel.

Musikalisch überzeugt die Produktion sowohl aufgrund der souveränen tänzerischen und vokalen als auch der wunderbaren orchestralen Leistung der Düsseldorfer Symphoniker unter der Stabführung des Dirigenten Marc Piollet.