Buch „Unser Mittelpunkt war der Ratinger Hof“

Düsseldorf · Das neue Buch „Keine Atempause“ porträtiert die Düsseldorfer Punk- und Elektro-Szene von den 70er bis heute.

Die Autoren des Buches „Keine Atempause“ Thomas Stelzmann, Michael Wenzel und Sven André Dreyer.

Foto: Droste

Es scheint etwas in Düsseldorf in der Luft zu liegen, das kreative, vor allem aber unangepasste Musik begünstigt: Punk, Elektro in all ihren Spielarten. Sind diese Begriffe zwar nur Etiketten für eine grenzenlos wirkende Diversität, so gibt es doch eine Keimzelle, einen spezifisch Düsseldorfer Urgrund, aus dem sich die hiesige „alternative“ Musikszene entwickelt hat. Auf die Spur dieser „DNA“, wie die Autoren es nennen, begeben sich Sven-André Dreyer, Michael Wenzel und der Fotograf Thomas Stelzmann in ihrem neuen Buch „Keine Atempause – Musik aus Düsseldorf“. Das bei dem Droste Verlag erschienene Buch fokussiert sich aber nicht nur auf die Vergangenheit. Die übrigens in der Kindheit der drei Autoren liegt – sie alle sind in den 70er Jahren geboren. Konzentriert sich nicht nur auf diese Keimzelle, die sich gewiss zuerst und vor allem, aber nicht nur im und um den Ratinger Hof finden lässt.

Vielmehr war das Bestreben der drei Schöpfer dieses bunten Hardcover-Buches, die Wurzeln zwar aufzeigend auch in das Jetzt, in die ganz aktuelle Gegenwart zu blicken. Was ist aus den Protagonisten jener belebten Tage nach vierzig Jahren geworden. Wie erinnern sie sich an die damalige Zeit, zugleich, was haben sie heute zu sagen?

Natürlich fallen einem bei dem Gedanken an diese spezielle Düsseldorfer Musikszene prominente Namen ein, wie etwa die Toten Hosen oder auch Kraftwerk. Diese Namen sind inzwischen weit im Mainstream angekommen, unabhängig davon, ob sie selbst Mainstream geworden sind oder nicht. Doch in den späten 70ern, dann in den 80ern und darüber hinaus in besonderer Weiterentwicklung spielten zahllose andere Menschen Musik, stellten Regeln auf den Kopf und setzten Trends, die bis heute reichen.

Ihr „Wohnzimmer“ war der Ratinger Hof von Carmen Knoebel und Ingrid Kohlhöfer. Das Buch widmet sich Bands, wie den Broilers, DAF, Der Plan oder auch Kreidler und Mouse on Mars um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Es ist sicherlich sinnvoll, sich mit diesen musikalischen Strömungen auseinanderzusetzen. Sie vielleicht in der Retrospektive auch zu analysieren.

Die Macher des Buches wollten aber nicht theoretisierend über ein Phänomen philosophieren. So Interviewten sie Menschen wie Knoebel, Che Seibert, Jürgen Krause, Xaõ Seffcheque, Stefan Schneider, Bodo Steiger, Jürgen Engler, aber auch Kurt Dahlke, Ralf Dörper, Jimmy (Klaus) Radant, Frank Fenstermacher, oder den Anfang dieses Jahres verstorbenen Henry Storch. Indes fehlt auch Andreas Frege – wohl besser bekannt als „Campino“ – nicht in der langen Reihe der Menschen, mit denen die Autoren sprachen. Punk war aber nicht nur eine reine Männersache, so dürfen Bettina Flörchinger und Martina Weith, in der doch recht männlichen Liste nicht fehlen.

Die Interviews sind eingebettet in eine flüssig erzählte Geschichte der jeweiligen Person und ihres Wirkens mit reichlich wörtlichen Zitaten, die jedoch nicht den Lesefluss dominieren. Man fühlt sich den Menschen nah, als ob man sie selbst zu einem Plausch getroffen hätte. Illustriert mit alten Aufnahmen von Richard Gleim, aus Archiven der Interviewten und aktuellen Fotos von Thomas Stelzmann. Wundersam ist es manchmal, die schon fast historischen Bilder mit aktuellen Porträts in Kontext gesetzt zu sehen. Die Schwarzweiß-Fotos bilden zwar einen Kontrast zu den aktuellen Aufnahmen Stelzmanns, die bisweilen sehr intim wirken, doch ergänzen sie sich trefflichst. Die Orte, an denen die Musiker abgebildet sind, sind mit Bedacht gewählt, charakterisieren ohne Worte die abgebildeten Personen.

Das Cover lässt die Atmosphäre der späten 70er und 80er wieder aufleben.

Foto: Droste Verlage/Droste Verlag

Hierbei rücken neben dem Ratinger Hof auch weitere Musikorte mit Geschichte und Geschichten in den Blick: Der Unique Club, der EGO-Club etwa oder der Salon des Amateurs.

Eine aus der Zeit der Hochphase des Ratinger Hofs heraus atmende und dennoch die Brücke in die Gegenwart schlagende Anmutung gewinnt das Buch zudem durch das Layout und die Gestaltung.

Das Blättern durch die 190 Hochglanz-Seiten macht allein ästhetisch große Freude. Doch auch inhaltlich wird die nötige Tiefe geliefert, die eine solche Publikation mitbringen sollte. Dazu gehört auch ein Exkurs zu dem Thema Punk im Museum, der sich unter anderem der Ausstellung „Zurück zum Beton“ in der Kunsthalle Düsseldorf widmet.

Das Buch ist erschienen im Droste Verlag und kostet 25 Euro.