Komasäufer sind immer jünger

rausch Die Kliniken behandeln schon Zwölfjährige mit Alkoholvergiftung – und das lange nicht nur an den tollen Tagen.

Düsseldorf. Wenn ein Zwölfjähriger eingeliefert wird, so betrunken, dass er nicht mehr ansprechbar ist, erschrickt Prof. Dr.Susanne Schweitzer-Krantz nicht mehr. Die Leiterin der Kinderklinik am Evangelischen Krankenhaus (EVK) hat zu viele solche Alkoholleichen gesehen. "Sie werden immer jünger", beobachtet die Ärztin. "Und je jünger sie sind, umso öfter sind es auch Mädchen." Ihre Erfahrungen in der Praxis bestätigen, wovor Forscher und das Bundesgesundheitsministerium seit dem vergangenen Jahr warnen: Immer jüngere Menschen trinken sich absichtlich in die Besinnungslosigkeit. Und zu Karneval werden die Zahlen wohl wieder explodieren.

Laut Landesamt für Statistik sind im Jahr 2008 in Düsseldorf 70 Minderjährige mit der Diagnose "psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol" behandelt worden - 2003 waren es 31. Die Zahl steigt über die Jahre kontinuierlich an; und sie ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Denn die meisten Fälle fließen wohl als Vergiftung in eine andere Kategorie der Datensammlung ein. "Wir haben im vergangenen Jahr allein von Altweiber bis Rosenmontag 130 Betrunkene behandelt", sagt Dr. Sven Heinrichs, Internist im Marien-Hospital.

An dem Krankenhaus werden zum Karnevalswochenende jedes Jahr zwei Zelte mit je zehn Betten aufgebaut, um die Masse hilfloser Trinker zu bewältigen. Aber auch an den anderen Wochenenden werden im Marien-Hospital im Schnitt zehn Alkoholvergiftungen behandelt. "Da sehen wir viele 14- und 15-Jährige", sagt Heinrichs.

Und die verlassen die Klinik oftmals mit einem Grinsen im Gesicht. "Wie nach einer bestandenen Mutprobe", sagt Heinrichs. Und Kinderärztin Susanne Schweitzer-Krantz bestätigt: "Es ist selten der Fall, dass der Rausch aus Versehen passiert ist. Eine halbe Flasche Wodka - das ist heute Standard. Möglichst schnell einen Pegel bekommen." Die Neugier auf die Grenzerfahrung im Vollrausch und der Gruppendruck seien stärker als die Vorsicht.

Immerhin: "Zwei Drittel machen das einmal und ändern ihr Verhalten dann", sagt Schweitzer-Krantz. Zumal jeder Minderjährige erst nach einem Gespräch mit den Eltern aus dem EVK entlassen wird. Beim zweiten Mal - wenn es eines gibt, was durchaus vorkomme - würden auch das Jugendamt oder andere Beratungsstellen eingeschaltet. "Und trotzdem gibt es auch schon 15- und 16-Jährige, die Alkoholiker sind", sagt Schweitzer-Krantz.

Am Karnevalswochenende wird der Ordnungsdienst der Stadt wieder im Einsatz sein, um junge Trinker aus dem Verkehr zu ziehen. Jugendliche Testkäufer, die in den Kiosken probeweise Alkohol kaufen und so Verstöße gegen den Jugendschutz aufdecken sollen, wird es nicht geben. Der inzwischen verstorbene Ordnungsdezernent Werner Leonhardt wollte sie zu Karneval einsetzen. Jetzt winkt die Stadt ab: Die interne Abstimmung dauerte zu lang.

Susanne Schweitzer-Krantz indes wird wohl auch in diesem Jahr wieder ein Matratzenlager auf ihrer Kinderstation aufbauen. Damit die volltrunkenen Kids sich nicht auch noch ernsthaft verletzen, wenn sie nachts aus den Betten fallen.