Kondom-Training im Pfarrhaus St.Gertrud

Experten wollen Hauptschülern Verhütung schmackhaft machen. Die kichern. Aber sie wissen Bescheid – durch die Eltern.

Düsseldorf. "Was ist das?" Sexualpädagogin Eva-Maria Düring hält ein Kondom in die Luft. "Ein Kondo-hom!", tönt es zurück aus dem sonoren Grundgeschnatter der Zwölf- bis 15-Jährigen ringsum. Sechst- bis Achtklässler der Hauptschule Bernburger Straße sollen an diesem Nachmittag im Pfarrzentrum von St. Gertrud in Eller etwas über Sex und Verhütung lernen. An der ersten Lernstation: das Kondom. "Warum darf man Kondome nicht aus Automaten auf der Straße kaufen?", fragt Düring. "Weil sie keinen Geschmack haben!", brüllt ein Junge zurück. Na, das fängt ja hübsch an.

Und genauso geht es weiter. Laut quietschend schmeißt die zwölfjährige Michelle das ekelig glitschige Kondom auf den Boden, während der 13-jährige Mohsen seine Kumpels von hinten mit dem Trainingsdildo aus Gummi piekst - und nicht minder laut quietscht. Dann einmal alle schnell schauen, wie Eva-Maria Düring das Verhüterli korrekt abrollt - und weiter zur nächsten Station, wo die Schüler auf einer großen Pappbahn die Namen der Geschlechtsteile in Englisch, Türkisch, Serbokroatisch und Polnisch übersetzen sollen.

Aufklärungsarbeit in Zeiten von Teenie-Mamas und Handypornos. Ein Kampf auf verlorenem Posten für Eva-Maria Düring und ihre Kollegen - könnte man glauben. "Sobald man etwas über Sex hört, lachen eben alle. Das ist automatisch", bekennt Tobias(14). "Aber es ist für uns trotzdem ernst." Und wer will ihm das Gelächter verübeln? Erinnert man sich doch selbst an die sechste Klasse, als es sehr uncool gewesen wäre, den Anschauungsunterricht der Biolehrerin mit dem Holzphallus cool zu finden.

Eva-Maria Düring weiß, dass sie an diesem Tag nicht drei Jahrgangsstufen giggelnder Kids als verantwortungsbewusste, gereifte Individuen nach Hause schickt, denen vollumfänglich jedes Risiko ihrer anstehenden ersten Erfahrungen klar ist. "Aber die Quelle Nummer eins bei der Aufklärung sind noch immer die Freunde." Düring will Multiplikatoren unter den Jugendlichen erreichen, die zumindest ein bisschen was von ihrer kleinen Verhütungsschau mitnehmen.

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Ob sie dabei nicht hilflos der frühreifen, digital vernetzten "Generation Porno" hinterherhechelt? Nein, sagt Düring. Denn so arg verroht haben "Youporn" und Co. die Jugend angeblich gar nicht: "Gerade Hauptschüler haben oft gar keinen Zugang zum Internet und zu Pornoportalen", sagt Düring. "Die Eltern sind verstärkt die Aufklärer - auch weil sie heute weniger Berührungsangst haben als früher."

Auch Michelle hat von ihren Eltern schon mit elf erfahren, "wie Geschlechtsverkehr geht". Den will sie nur mit einem festen Freund erfahren - und in ferner Zukunft. Auch Debora (14) hat zwar schon Pornos gesehen. Eine Informationsquelle sind die Filme für sie aber nicht. "Da sieht ja nur den Geschlechtsverkehr - aber nicht, wie Verhütung geht."

Wie sie baut auch der 13-jährige Pascal lieber auf Bio-Buch und Eltern: "Mit meiner Mutter bin ich offen und ehrlich." Auch beim Thema Aids. Ob er denn von der Veranstaltung heute etwas Wertvolles mitnimmt? "Ein Kondom!", lacht Pascal. Und vermutlich bringt ihn das tatsächlich weiter als die gewonnene Kenntnis des serbokroatischen Ausdruckes für Hoden.