Asphalt-Festival Asphalt-Auftakt – ganz Wienerisch

Düsseldorf · „Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis“ – nach einem Text von Stefanie Sargnagel eröffnete das Sommer-Festival.

Stefanie Sargnagel "Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis" unter der Regie von Christina Tscharyiski mit Voodoo Jürgens und Band.

Foto: Tim Hillemacher

„Ich habe einen Text fertig geschrieben, für den ich Geld bekommen werde. Wie für alle Texte, für die mir ausreichend Geld geboten wird, ist es etwas entsetzlich Sinnloses gewesen, für das ich mich bestimmt einige Zeit schämen werde, für ein Magazin, das hoffentlich nie jemand, den ich respektiere, je lesen wird“, heißt es eingangs in Stefanie Sargnagels Text „Penne vom Kika“, für den sie den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Preis 2016 erhielt. Und wie sehr sie mit diesen Worten aus einer lakonischen und so herzlich wienerischen  Beschreibung des Daseins eines jeden Schreiberlings recht hat.

Anlässlich der Eröffnung des Asphalt-Festivals konnte das Düsseldorfer Publikum in der Glashalle des Weltkunstzimmers – dem stark pochenden Herz des Festivals – eine vor Patina strotzende, mitreißend erdige Adaption des Textes erleben. Ein Gastspiel des Theaters Rabenhof Wien, bei dem der sich in saftigstem Sprech um Sinnlosigkeit und Sinn, um Alltagswahnsinn und Alltagspoesie gefügte Text mit wienerischer Musik von Voodoo Jürgens zu einer unterhaltsamen und tiefsinnigen Melange vermengte. Unter Regie von Christina Tscharyiski gestaltet sich Stefanie Sargnagels Text als eine Innenschau in die Tiefen der Psyche der Autorin, der Ich-Erzählerin, die zeitgleich von drei hervorragend spielenden Schauspielerinnen mal im Wechsel, mal simultan dargestellt wird.

Miriam Fussenegger, Lena Kalisch und Saskia Klar verkörpern nicht nur in ihrer Art, auch in ihrem Äußeren Aufsichten auf ein Stereotyp. In den Kostümen von Catia Palminha vor der mit unzähligen Türchen versehenen hölzernen Bühnenwand von Catia Palminha wirken sie wie ein überzeichnetes Zerrbild einer Wiener Intellektuellen, betrachtet durch einen vor Melancholie und derbem Witz gesättigtem Kaleidoskop. Die Bühnenwand, die vielleicht so etwas ist wie eine Holz gewordene Kategorien-Tafel, enthält kleine Blickpunkte auf Aspekte des Innenlebens der Protagonistin. Kann aber schlagartig zu einem Bett, einer Garderobe oder eben einem „Beisl“ verwandelt werden.

Voodoo Jürgens Musik passt perfekt zum Stück

Mit viel Tempo im musikalischen Wechselspiel mit den so treffend die Seele der österreichischen Hauptstadt durchdringenden Liedern von Voodoo Jürgens zieht die Adaption den Betrachter Minute um Minute tiefer in diese sonderbar wahrhaftige Welt. Denn trotz dem offenen Spiel mit Klischees steckt in diesem ganzen Abend mehr Wahrheit, als vielleicht so mancher denken würde. Alleine schon der Titel scheint vielleicht wie ein wildwürziges Kondensat von dem, was diese Performance zu transportieren sucht: „Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis“.

„Beisl“ ist übrigens kaum tüchtig ins Bundesdeutsche, wie die Österreicher unser Hochdeutsch nennen, zu übersetzen. Es ist so etwas wie eine Kneipe, in der man bodenständig essen kann; aber eben nur so etwas. Ähnliches gilt für den herrlichen „Schmäh“, der in diesem Stück die ganze Zeit mitschwingt. Aber auch hier sollte man sich davor hüten, genau erklären zu wollen, was denn dieser „Schmäh“ nun ist. Man muss es halt erleben – und wenn man nicht mal eben nach Wien kommen kann, so bot dieser Abend eine gute Gelegenheit, ein bisschen Wiener Duft in die Nase zu saugen; aber Vorsicht, dieser Duft ist süßlich aber bissig zugleich – Verwesung?

So oder so: dieser Abend skizziert mit viel doppelbödiger Ironie, was es heißt, jeden Tag um die kreative Freiheit zu kämpfen und schließlich an alledem zu scheitern. Lässt mit einer leichten Oberfläche ernste Diskurse durchlaufen. Wer ist hier der oder die Gestörte? Der Künstler, der Kreative, der an der Realität verzweifelt beziehungsweise an den von Außen angelegten Erwartungen? Oder die Gesellschaft, die mit ihrer Ignoranz die Nase über das Bohème-Leben rümpft.

Besser hätte man das Asphalt-Festival nicht eröffnen können. Denn politisch Kritisches kann auch charmant sein, ohne stupiden Holzhammer.