Auch Freiheitskampf ist Krieg
Tobias Moretti und das Ensemble „Moderntimes_1800“ zeigen in der Tonhalle die Facetten des Widerstands auf.
Düsseldorf. Kann Musik Freiheit verkünden? In der musikalisch-literarischen Collage des österreichischen Kammerorchesters "Moderntimes_1800" mit Tobias Moretti als Rezitator, das Michael Becker zum einzigen Deutschlandauftritt in die Düsseldorfer Tonhalle holen konnte, wird die Ambivalenz dieses Gefühls deutlich. "Freiheit, brennende Liebe" zeigt: Auch Freiheitskampf bedeutet Krieg.
Tobias Moretti ist ein echter Tiroler. Er lebt nahe Innsbruck auf einem Bauernhof, zusammen mit seiner Frau Julia Moretti, die vor fünf Jahren das Kammerorchester "Moderntimes_1800" gründete, ein Ensemble, das auf alte und ganz neue Musik spezialisiert ist. Kein Zufall also, dass die beiden Künstler vom Land Tirol den Auftrag erhielten, ein Programm zum Jubiläumsjahr der Freiheitskämpfe zu gestalten.
1809 hatte sich Tirol verzweifelt gegen die neue napoleonische Weltordnung gewehrt, die das Land mit den Segnungen der Aufklärung beglückte und vom katholischen Österreich abspaltete. Im Film von Xaver Schwarzenberger hat Tobias Moretti den Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer gespielt, der drei Siege über die napoleonischen Truppen erringen konnte und dennoch am Ende besiegt wurde.
Bis heute gilt der Volksheld vielen Tirolern als Märtyrer der Freiheit. Im Film wird er auch als ein vom katholischen Fundamentalismus Verführter gezeigt. Entsprechend differenziert bauen die Morettis ihre Collage auf: Vom brennenden Freiheitsdurst, wie er in Beethovens 3. Symphonie spürbar wird, dieser "Eroica", die der Komponist Napoleon gewidmet hatte, bis zu den ironisierenden Klängen des Tiroler Jazztrompeters Franz Hackl spannt sich der musikalische Bogen, mit Texten von Schillers Gedicht auf das Jahr 1800 bis zu Ingeborg Bachmanns "Einem Feldherrn".
Das Thema Freiheit habe es in sich - und sei schwierig gewesen, sagt Tobias Moretti der WZ bei der anschließenden Feier im Grünen Gewölbe (die ebenso wie das Konzert von der Tirol-Werbung gesponsert wurde). Zunächst wollten sie vor allem dokumentarische Berichte über die Freiheitskämpfe verwenden, aber dann habe sich gezeigt: Gegen die Musik von Beethoven hält nur große Literatur stand.
So greifen sie auch zu Texten von Joseph Brodsky, Raoul Schrott, H. C. Artmann - und Thomas Mann. Es ist ein Höhepunkt des Konzertes, als über dem Schluss des Romans "Der Zauberberg", der uns Hans Castorps Verschwinden auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs vor Augen führt, sehr leise der 2. Satz von Beethovens 7. Symphonie erklingt, dirigiert von Geiger Ilia Korol vom Konzertmeisterplatz aus.
Ironie ist hörbar in Gedichten des Südtirolers Norbert C. Kaser ("sachsenklemme" über den ersten Sieg Hofers: "der spaß war kurz und alle sachsen tot...") und in der Musik von Franz Hackl, der die inbrünstigen Märsche in Antonio Salieris Sinfonia "Der Tyroler Landsturm" (eine Wiederentdeckung der Morettis!) überzeichnend aufgreift, aber auch wunderbar zarte Kompositionen beisteuert.
Wer das großartige Konzert noch erleben will, muss allerdings nach Tirol reisen: In Innsbruck wird es am 26. Mai 2009 aufgeführt, in Bozen am 29. und 30. Juli.