Antilopen Gang Auf der Bühne herrscht Anarchie — in Bilk ist Alltag

Am Freitag erscheint das neue Album der Antilopen Gang. Gründungsmitglied Koljah spricht über seine „Homebase“ Düsseldorf.

Foto: Antilopen Gang/Robert Eikelpoth

Düsseldorf. Ihre neue Platte heißt „Anarchie und Alltag“. Angelehnt ist das, wie sie es selbst umschreiben, „kackdreist“ an das berühmte Album „Monarchie und Alltag“ von den Düsseldorfer Punk-Gründervätern Fehlfarben. Und das passt wie Pott auf Deckel, denn natürlich ist die Antilopen Gang trotz Berliner und Aachener Beteiligung vor allem dies: eine Düsseldorfer Band.

Die derzeit wahrscheinlich angesagtesten Rapper des Landes stehen schließlich beim Hosen-Label JKP unter Vertrag. Das sitzt in Flingern. Und Gründungsmitglied Koljah Podkowik wiederum, im Namen der Gang nur als Koljah bekannt, ist Bilker durch und durch. Für ihn gilt: Auf der Bühne ist Anarchie.

In Bilk ist Alltag. Wobei sich die Anarchie neulich dann auch kurz in seinen Düsseldorfer Alltag schlich. Da sei er nämlich, erzählt Koljah, morgens mal eben aus seiner Wohnung raus in den Supermarkt um die Ecke gegangen. „Ich war noch total verschlafen und hatte die Jogginghose angelassen.“ Das allein war schon ziemlich anarchisch. Aber es wurde noch doller, als er kurze Zeit später wieder daheim war und den Computer anschaltete: „Da las ich plötzlich bei „Twitter“, dass ich gerade im schlafanzugmäßigen Freizeitoutfit Nudeln kaufen war. Irgendjemand hatte mich erkannt und gleich allen davon berichten.“ Koljah muss zwar lachen über diese kleine Episode des Starruhmes.

Dennoch: Seitdem überlege er es sich dreimal, wie er aus dem Haus gehe, auch wenn es nur mal eben schnell gehen soll. Die Anarchie im Netz ist nun einmal ein Fass ohne Boden und schneller als der Mensch. Apropos Starruhm: Erkannt werde er auf der Straße ansonsten vor allem in fremden Städten — weil er und seine Kollegen Danger Dan (Berlin) und Panik Panzer (Aachen) da ja meist zu dritt unterwegs und entsprechend auffällig seien. „In Düsseldorf, wo die beiden nicht dabei sind, passiert das eher selten.“ Bis auf Supermärkte, die er in Jogginghose betritt, kann sich Koljah hier noch relativ frei bewegen, ohne gleich für Autogramme und Selfies parat stehen zu müssen.

Seine liebsten Plätze in der Stadt sind dabei Kneipen und Cafés wie das „Tigges“ in Bilk. Das „Abraxas“ an der Merowinger Straße. Oder das gute, alte „Schaukelstühlchen“ in der Altstadt. Läden, in denen schon Generationen von Jugendlichen, Studenten sowie jungen Erwachsenen die Freizeit genossen haben. „Und natürlich das Zakk“, sagt Koljah. Da sei er schon als Schüler Stammgast beim „Ska Allnighter“ gewesen. Da habe er Ende der 90er als zehn- oder elfjähriger Jungspund mal einen Internetkurs absolviert, um die unendlichen Weiten des Netzes kennen und nutzen zu lernen. Und da gehe er immer noch gerne zu Konzerten hin. Außerdem lebe nebenan, an der Kiefernstraße, sein Onkel. Diese Ecke ist also irgendwie auch seine. Wobei Koljah eindeutig Bilk als seine „Hood“ bezeichnet. Sein Viertel. Seine Heimat. Da ist er aufgewachsen — auch wenn die Eltern aus ihm bis heute „unerfindlichen Gründen“ zu seiner Geburt einen Schlenker nach Duisburg machten. „Meine Kindheit habe ich auf der Düsselstraße verbracht. Ich war in einem Kinderladen an der Wilhelm-Tell-Straße und bin erst auf die Sternwartschule und danach auf das Geschwister-Scholl-Gymnasium gegangen“.

Später zog die Familie nach Flehe, Koljah baute sein Abitur auf dem Lore-Lorenz-Berufskolleg in Eller und ging schließlich zum Studieren nach Göttingen. Indes: „Sobald ich fertig war mit der Uni, bin ich wieder nach Düsseldorf, nach Bilk gezogen.“

Düsseldorf, das sei ja auch der Hort seiner musikalischen Sozialisation und gerade deshalb wichtig für ihn: Er habe schon immer die Platten all jener Bands gehört, die damals, in den 70ern und 80ern, rund um den Ratinger Hof den Punk lostraten. Er schätze Kraftwerk und wisse um deren Bedeutung für die elektronische Musik. Und nicht zuletzt kenne er eben auch all die Leute, die in der Stadt die Hip-Hop-Szene prägten: Die Icklack-Squad. Und MC Killa Calles natürlich. „Auch wenn ich heutzutage aufgrund der Verpflichtungen, die ich mit der Antilopen Gang habe, nicht mehr so häufig raus gehe wie früher, treffen wir uns immer wieder bei Konzerten oder Partys.“ Und da sehe er dann, dass diese Szene, diese Subkultur, seine Subkultur, noch immer existiere in Düsseldorf.

Gibt es irgendetwas, was ihm an Düsseldorf nicht gefällt? Koljah überlegt. Dann sagt er: „Düsseldorf ist immer darauf bedacht, einen auf Metropole zu machen und stampft irgendwelche Arkaden aus dem Boden.“ Dafür fielen dann andere Dinge weg: der Tausendfüßler. Auto Becker. „Das Stadtbild hat sich schon stark gewandelt.“ Aber das reiche nicht aus, ihn aus Düsseldorf zu treiben. Wobei: „Wenn das mit den erfolgreichen Ausverkauf bei den Antilopen so weiter geht“, sagt Koljah, „dann könnte ich mir vorstellen, wieder nach Flehe zu ziehen. Da stehen am Rhein schöne, gediegene Häuser. Da kann man schön flanieren.“ Dann lacht er. War also nur ein bisschen Gedanken-Anarchie inmitten des Bilker Alltags.