Junges Schauspielhaus Gute Geschichten - nicht nur für Kinder
Das Junge Schauspiel wird 40. Ein Gespräch über turbulente Anfangsjahre - und welche Schwierigkeiten es heute noch gibt.
Düsseldorf. Am Sonntag feiert das Junge Schauspielhaus sein 40-jähriges Bestehen. Im WZ-Interview erinnern sich Ute Kessler, die als Schulreferentin die ersten 30 Jahre des Hauses miterlebt hat, und der heutige Leiter Stefan Fischer-Fels an die Geschichte des Jungen Schauspiels in Düsseldorf.
Frau Kessler, sie sind seit 2007 im Ruhestand. Ein richtiger Abschied vom Jungen Schauspielhaus war es aber nicht.
Kessler: Genau, ich engagiere mich im Förderverein des Schauspielhauses. Die Verbindung zum Theater wird immer bestehen bleiben.
Ein Theater nur für junge Besucher: Heute selbstverständlich, in den 70ern noch Neuland. Gab es Startschwierigkeiten?
Kessler: Im ersten Jahr kamen gleich 80.000 Besucher. Die damalige Schulamtsdirektorin hat den Schulen gesagt: „Ihr geht jetzt alle ins Theater“. Die Zusammenarbeit mit dem Schulamt war von Anfang an toll. Zudem hat Barbara Oertel-Burduli (Gründerin und langjährige Leiterin, Anm. d. Red.) um jeden Besucher gekämpft. Sie war eine richtige Theaterpatriarchin.
Nach sechs Jahren, 1983, drohte trotzdem das Aus. Warum?
Kessler: Der Kulturetat wurde um 300.000 Mark gekürzt. Um zu sparen, solle die Kindersparte gestrichen werden. Der Sturm der Entrüstung in der Stadt war immens. Wir sammelten hunderte Unterschriften.
Damals war das Theater in einer umgebauten Kantine beheimatet. Klingt nicht sehr luxuriös…
Kessler: Das war für alle eine Herausforderung. Die Bühne war im ersten Stock. Jedes Bühnenbild musste mit einem Elektrozug hochgehievt werden. Es gab keine Klimaanlage und die Kinder mussten auf harten Holzbänken Platz nehmen. Und dann begann jede Vorstellung mit einer „Pinkelansage“. Da die Toilette direkt auf der Bühne war, wurde den Kindern nahegelegt, nur vor oder nach der Aufführung aufs Klo zu gehen.
Angesichts dieser Umstände denken Sie sicher gerne an die Eröffnung des jetzigen Hauses an der Münsterstraße zurück?
Kessler: Absolut. Da fuhren plötzlich Rolls Royce vor, und es kamen Besucher, die vorher nie ins Kindertheater gingen. Dass sie da keine Kinder, sondern ausgebildete Schauspieler auf der Bühne zu sehen kriegen, wussten viele bis dato gar nicht.
Fischer-Fels: Das war das Neue: Dass ein ganzes Haus erwachsener Menschen, mit ausgebildeten Schauspielern, renommierten Regisseuren und Autoren, Dramaturgen und Theaterpädagogen, dafür da ist, Kindern gute Geschichten zu erzählen.
An welche Inszenierung denken Sie besonders gerne zurück?
Kessler: 1987 musste eine Abendvorstellung im Großen Haus ausfallen. Wir gingen volles Risiko und setzten „Heute, Kinder, wird’s was geben“ auf den Abendspielplan. Der Kassenleiter hatte Mühe, die irritierten Besucher zu beruhigen, weil auf dem Programmzettel „für Kinder ab 5 Jahren“ stand. Am Ende gab es Riesenbeifall, zehn Vorhänge und eine sensationelle Kritik in der FAZ.
Fischer-Fels: Kindertheater erzählt immer eine gute Geschichte. Das lieben auch Erwachsene.
Wird das junge Theater heute trotz guter Geschichten und prächtiger Besucherzahlen immer noch unterschätzt?
Fischer-Fels: Früher wurde man an Schauspielschulen gewarnt, nicht ans Kindertheater zu gehen. Heute ist das kein Makel mehr. Viele Intendanten bekennen sich zu einem starken Kinder- und Jugendtheater. Aber es gibt noch Ungerechtigkeiten. Meistens gilt in der Kulturpolitik immer noch das Motto: Kleines Geld für kleine Leute. Ich halte das für nicht mehr zeitgemäß angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen.
Ist es schwerer geworden, Schulklassen ins Theater zu kriegen?
Fischer-Fels: Als die damalige Schulministerin (Barbara Sommer, Anm. d. Red.) vor zehn Jahren einen Vorstellungsbesuch als Unterrichtsausfall deklarierte, spielten wir ein halbes Jahr lang vor halbleeren Rängen.
Kessler: Vorher hieß das Unterricht am anderen Ort.
Fischer-Fels: Sie hat sich dann korrigiert, aber der Druck auf den Lehrern, so wenig Unterricht wie möglich ausfallen zu lassen, ist heute definitiv zu spüren. Es ist ein ständiger Kampf.
Zum Abschluss: Was macht das Junge Theater für Sie persönlich so einzigartig?
Kessler: Sein Mut, große Gefühle auf der Bühne zu zeigen. Fischer-Fels: Dass es keinen besseren Ort gibt, an dem sich Lehrer und Schüler, Eltern und Kinder Geschichten, die mit ihrem Leben zu tun haben anschauen und darüber ins Gespräch kommen können. Die Stadtgesellschaft trifft sich hier als Generationengesellschaft. Da können viele wertvolle Momente entstehen.