Ausstellung: Ein poetischer Chronist britischer Subkultur
Julia Stoschek präsentiert als Europa-Premiere das Frühwerk des Filmregisseurs Derek Jarman.
Düsseldorf. Derek Jarman war ein abtrünniger Maler, ein bahnbrechender Filmemacher fernab von Hollywood. Das wird im Privatmuseum der Julia Stoschek deutlich, die zur Quadriennale die erste umfassende Ausstellung seines filmischen Frühwerks in Europa präsentiert.
Der Künstler, der durch die Spielfilme "Caravaggio" und "Jubilee" mit Tilda Swinton bekannt wurde, drehte 1970 bis 1993 60alternative Super-8-Filme für private Partys unter Freunden. Sie leben vom Charme des technisch Primitiven, dem weichen, schimmernden Bild der bloßen Folienreflexe, den Spiegelungen und Wiederholungen, Überblendungen und Mehrfachbelichtungen.
Ihr unschätzbarer Wert liegt darin, dass sie die Subkultur der 70er und frühen 80er Jahre mit ihrer Lockerung der moralischen Grenzen, ihrem Milieu zwischen Musik, Film, Kunst und Protest, mit ihren Stilrichtungen von Hippie, Punk, Industrial Music und einem neuen Romantizismus aufblitzen lassen.
Die Super-8-Kamera war ein billiger Handapparat, der nur fünf Geschwindigkeiten zuließ. Man hielt aufs Motiv und spulte es ab. Um Doppeldeutigkeiten zu erzielen, musste Jarman das Filmmaterial projizieren und erneut abfilmen. So entstanden psychedelische Effekte wie in einem Tagtraum. Jarman, zugleich Insider und Outsider seiner Szenen, war ein sehr poetischer Chronist seiner Zeit.
Den Anfang bei Stoschek macht ein Kurzfilm über sein Studio Bankside (1970), Treffpunkt von Stars und dubiosen Nachtschwärmern. Jarman arbeitete wie Warhol mit Standbildern und unscharfen Nahaufnahmen.
Er zeigt die graue Betriebsamkeit der Londoner City, die jugendliche Subkultur und Bob Dylan, der von einem Poster mit glasigem Blick über dem Geschehen wacht. Julia Stoschek ließ die Hintergrundgeräusche von Simon Fisher Turner neu vertonen, denn Super-8-Filme sind stumm.
Aufmerksamkeit erhält der exzentrische Mode- und Schmuck-Designer Andrew Logan, der 1973 die erste alternative Miss-Wahl mit schrägen Kostümen startete. Hier tauchen all die bunten Punk-Vögel auf, welche die Bürgergesellschaft erschreckten.
Als der Regisseur Mitte der 80er Jahre zu einem Festival nach Moskau eingeladen wurde, studierte er den Eisenstein-Film über die Oktober-Revolution, übernahm Bildmaterial und schuf sein eigenes "Imaging October", "Wie ich mir den Oktober vorstelle", mit einem rötlich getönten Moskau, mit Kommunisten-Gesängen und Peter Doig, heute Malerei-Professor in Düsseldorf, in einer Statistenrolle.
Der Film richtete sich zugleich gegen den eigenen, prüden Vater, einen General, der Kunst und Leben des Sohnes ablehnte.