Ausstellung im Kunstpalast Das Beste von Peter Lindbergh in Düsseldorf

Düsseldorf · Die erste und letzte Ausstellung, die der berühmte Modefotograf in seinem Leben selbst kuratiert hat, findet im Kunstpalast in Düsseldorf statt.

 Ein Besucher bewundert die kolossale Bilderwand, die Peter Lindbergh noch zu Lebzeiten für die Ausstellung in Düsseldorf zusammengestellt hat.

Ein Besucher bewundert die kolossale Bilderwand, die Peter Lindbergh noch zu Lebzeiten für die Ausstellung in Düsseldorf zusammengestellt hat.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Die Wände im Oberlichtsaal des Kunstpalastes sind acht Meter hoch, tapeziert mit Fotowänden. Dabei schauen unzählige Blicke auf den Besucher herab, denn Peter Lindbergh (1944-2019) hat aus Millionen von Fotos das Beste destilliert, darunter auch erstmals Aufnahmen von einem Todeskandidaten. Wenige Wochen vor seinem eigenen Tod im September 2019 gab der berühmte Modefotograf das Okay für die Ausstellung, an der er zwei Jahre in intensivem Kontakt mit Museumsdirektor Felix Krämer gearbeitet hatte. 140 Aufnahmen geben das Beste beim Rückblick auf sein Lebenswerk. Ein Konzentrat der Menschlichkeit.

Lauter unbekannte Geschichten als Rückblick auf das Leben

Lindbergh ist kein Unbekannter, auch in Düsseldorf nicht. Hier ist er gestartet, hat die einstmals blühende Werbeszene ausgekostet und seinen schlanken, androgynen Frauentyp gefunden, bevor er nach Paris gegangen ist. In den letzten 20 Jahren inszenierte er die Frau in Sanddünen, ließ sie durch die Prärie wandern oder stellte sie in Kulissen. Dabei verwickelte er sie in unbekannte Erzählungen. Die schönsten dieser „Untold Stories“ gibt er an seinem Lebensabend preis, denn vier Wochen nach dem Konzept für die Ausstellung ist er gestorben.

Die Schau im Ehrenhof zeigt nicht das perfekt gestylte Model. Der Künstler pfeift vielmehr auf all die Supermodels, die er in den vergangenen 40 Jahren wachgeküsst hat. Er vermeidet sogar die ewige Jugend. Nun sucht er nicht das Label und das Model, sondern die Person. Vergessen sind die Werbekampagnen für Armani und Prada, Donna Karan und Calvin Klein. Wir sehen zwar im Außenraum schicke Autos von Porsche, in Flutlicht getaucht, aber in der Ausstellung selbst schauen uns lauter Individuen entgegen. Verschwunden ist die Werbung.

 Peter Lindbergh vor dem Porträt von Berri Smither. Das Foto entstand für eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

Peter Lindbergh vor dem Porträt von Berri Smither. Das Foto entstand für eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

Foto: picture-alliance / dpa/Rolf_Rick

Ein Wirbelwind von Möglichkeiten in Plakatgröße ist dies. Ein riesenhafter Scheinwerfer schießt auf eine zierliche Frau, die ihrerseits dem Licht entgegenblickt. Viel Nebel gibt es, aus dem sich ein Augenpaar herausschält. Eine inszenierte Szene auf einem Stuhl, auf dem eine Schöne so sehr herumturnt, dass sie gleich herabsausen wird, ist selten.

Nach der Ruhmeshalle führt uns Lindbergh zu den klassisch gerahmten Bildern. Sie bieten eine Entdeckungsreise zur Seele und zum Ausdruck seiner Models, den verträumten, verheulten, frechen, kecken, zögernden Blicken. In einem Fall ist eine Eva nur halb mit einem schwarzen Mantel bekleidet. Doch plötzlich scheint dieses angeschnittene Mantelteil das Männliche, das Unangenehme und Beängstigende zu sein. Es entsteht der Eindruck, als seien die Klamotten nicht nur nebensächlich, sondern gar bedrohlich.

Im Angesicht des Todes sind alle Menschen gleich

Das Beste kommt allerdings zum Schluss: 30 Minuten lang hat der Fotograf den Insassen einer Todeszelle aufgenommen. Elmar Carroll, der Mann mit dem Charakterschädel, musste in einen Spiegel schauen, und Lindbergh hat mit der Kamera hinter ihm gestanden und das Spiegelbild aufgenommen. Die Fotos sind im verdunkelten Raum aufgereiht, Köpfe mit minimalen Veränderungen. Diese stoischen Gesichter scheinen den Betrachter zu fragen, welche Rolle er selbst denn in all den Identitäten und Ausdrücken spielt. Letztlich geht es darum, woher wir kommen und wohin wir gehen.

 Felix Krämer organisierte die Ausstellung im Kunstpalast.

Felix Krämer organisierte die Ausstellung im Kunstpalast.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Bezeichnenderweise entstand dieser schnittlose Film von 2013 nicht aus einer plötzlichen Eingebung heraus, sondern nach der Analyse von 300 Gerichtsprozessen. Dabei fragte sich der Künstler, ob sich nicht auf beiden Seiten nur Opfer befinden. In dem wunderbaren Interview von Generaldirektor Felix Krämer mit dem Fotografen, das im Katalog abgedruckt ist, geht es um den Blick nach innen. Trends und Moden kommen und gehen, der Mensch, oder genauer: die Menschlichkeit, wird hoffentlich die Zeiten überdauern. In den letzten 25 Jahren besuchte Lindbergh keine Modenschau mehr.

Der Lebenslauf eines unangepassten Künstlers

Peter Lindbergh wurde 1944 als Peter Brodbeck im Wartheland geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Duisburg. Mit 15 Jahren begann er als Schaufensterdekorateur zu arbeiten, machte Gelegenheitsjobs, belegte einen Abendkurs im Zeichnen, trampte und verkaufte bei Bedarf seine Bilder, bevor er in der Werkkunstschule Krefeld Gebrauchtsgrafik und Design studierte.

1969 stellte er bei Denise Renè/ Hans Mayer aus, verkaufte aber kein Bild. Mit 27 Jahren erhielt er die erste Kamera und wurde Foto-Assistent. 1973 eröffnete er sein eigenes Studio hinterm Hauptbahnhof in Düsseldorf. und nannte sich Lindbergh. Von 1978 bis zu seinem Tod lebte er in Paris und wurde ein Star.