Ausstellung im K21 Carsten Nicolai: Der Meister der Neugierde stellt im K21 aus

Düsseldorf · Interview Der Künstler aus der DDR erzählt von der „Kartoffelschälmaschine“ im damaligen Karl-Marx-Stadt, von den vitalen Künstlerkreisen im Osten und seiner Doppelbegabung als bildender Künstler und als Musiker.

Der Künstler Carsten Nicolai in seiner Ausstellung im K21.

Foto: Kunstsammlung NRW/Wilfried Meyer

Carsten Nicolai fasziniert in K21 mit einer Ausstellung, wie man sie noch nie erlebt hat. Er lädt die Betrachter und Hörer ein, Sounds zu schauen und Licht zu hören. Wie kommt es zu diesem Vermögen, die physikalischen Gesetze in Poesie zu verwandeln? Was treibt ihn an? Wo kommt er her? Wo liegen seine Quellen?

Herr Nicolai, Sie gelten als Autodidakt. Wie sind Sie zur Kunst gekommen. Wie waren ihre Anfänge in der DDR?

Nicolai: Ich bin in Karl-Marx-Stadt groß geworden und habe schon sehr früh, mit 11, 12 Jahren begonnen, mich mit der Kunst zu beschäftigen. Das lag daran, dass es eine sehr vitale Kunstszene gab, aber auch eine vitale Musik- und Theaterszene. Es gab ein sehr gutes Theater, wo schon früh Heiner Müller und Frank Castorf inszeniert haben, die später zur Volksbühne gingen. Mein Einstieg ins Theater war Castorf. Ich bin mit ihm sozusagen groß geworden. Er machte ein experimentelles und offen gedachtes Theater. Das war mir damals gar nicht bewusst, weil ich es als Normalität angenommen habe.

Und die Kunstszene?

Nicolai: Es gab eine sehr interessante Künstlerszene. In einer Genossenschaftsgalerie wurde an jedem Mittwoch eine Veranstaltung gemacht. Das waren Lesungen, Konzerte, Beiträge, Happenings, Events, Gespräche mit Künstlern. Eine Gruppe, die mich stark bewegt hat, kam aus einer Vermischung von Malerei, Installation und Free Jazz. Sie hieß „Kartoffelschälmaschine“. Es gab auch die Künstlergruppe Clara Mosch, die mehr bildnerisch gearbeitet hat, mit Michael Morgner und Carlfriedrich Claus. In diesem Kontext bin ich groß geworden.

Spielte das Museum eine Rolle?

Nicolai: Zu DDR-Zeiten war das Museum kein Ort für zeitgenössische Kunst. Das waren eher die Nebenschauplätze, die kleinen Räume, privaten Wohnungen und Off-Spaces.

Gab es Schikanen des Staates?

Nicolai: Man kannte es nicht anders. Es ist nie einfach, mit einem anders Denkenden in einer Gesellschaft zu existieren, egal, ob in der DDR oder der Bundesrepublik. Wir waren aber nicht so abgeschlossen, wie man denkt, denn es gab das Westradio. Es war natürlich weitaus schwieriger, Informationen zu bekommen, um die Neugierde zu befriedigen. Wenn man etwas entdeckt hatte, war man ganz happy.

Durften Sie nach Leipzig und Dresden reisen?

Nicolai: Das durften wir. Die Szene war so kompakt, dass man sich fünf Stunden in den Zug setzte, wenn man wusste, in Rostock passiert etwas. Wir sind auch viel an die Peripherie gefahren, in ganz kleine Orte, wo es Festivals gab. Es war ja eine kleine Szene, in der sich alles in Windeseile herumgesprochen hat. Dadurch war man in Halle, Leipzig, Chemnitz, Dresden, Cottbus, Berlin, Rostock, Schwerin.

Gab es eine Trennung zwischen Musik- und Kunstszene?

Nicolai: Nein, die gab es nicht. In der Zeit, wo ich mich gebildet habe, oder begonnen habe, mich für Kunst zu interessieren, waren die Künste nicht so stark voneinander getrennt, wie es jetzt vielleicht ist.

Sie haben von 1985 bis 1990 Landschaftsarchitektur an der TU Dresden und nicht an einer Kunstakademie studiert. Was wollten Sie werden?

Nicolai: Ich wollte ganz klar und gern Künstler werden. Aber ich war der festen Überzeugung, dass man Kunst nicht studieren kann. Ich dachte immer, dass man erst dann Kunst studieren kann, wenn man im Leben etwas erlebt hat.

Vielleicht genau die richtige Einstellung, um auszubrechen? Aber Ihr Wissen ist so breit und so tief, dass Sie noch mehr als nur Landschaftsarchitektur mitbekommen haben müssen?

Nicolai: Ich bin an sich ein sehr neugieriger Mensch. Ich las neulich ein Zitat, dass Neugierde eine Art von Intelligenz ist. Das ist ein schönes Kompliment für neugierige Leute. Die Neugierde sollte man sich in seinem ganzen Leben beibehalten und immer wieder Fragen stellen.

Hat Ihnen das Studium der Naturwissenschaften weitergeholfen?

Nicolai: Was man macht, ist anders als das, was man studiert. Für mich war das Modell des Autodidakten, der sich selbst bildet, viel wichtiger.

Wer brachte Ihnen die physikalischen Grundbegriffe bei?

Nicolai: Es gibt ja Bücher, die kann man lesen.

Und wie kamen Sie zur Musikszene?

Nicolai: Ich habe mich halt von Anfang an für Musik immer wahnsinnig interessiert.

Führen Sie ein Doppelleben als bildender Künstler und Musiker?

Nicolai: Das Doppelleben offenbart sich ja erst, wenn man nach draußen tritt und von den Menschen in eine Box gesteckt wird.

Basiert Ihre Musik auf den Wissenschaften?

Nicolai: In der Musik steckt eine große Kraft. Sie ist nicht erklärbar, hat aber eine unmittelbare Wirkung. Sie wirkt nicht auf einer intellektuellen Ebene. Sie kommuniziert direkt mit uns.