Kunst und Mode „Die Mode verfolgt einen Zweck, die Kunst nicht“

Düsseldorf · Interview Die Kuratorin Pia Witzmann berät junge Absolventen des Düsseldorfer Design Departments.

Die Kuratorin Pia Witzmann berät junge Absolventen des Düsseldorfer Design Departments

Foto: Inge Hufschlag

Die Absolventen des Düsseldorfer Design Department / Akademie für Mode und Kommunikation präsentieren ihre Abschlussarbeiten nicht nur in einer Show im Stahlwerk, sondern auch im NRW-Forum mit Rauminstallationen und Multimedia-Performances. Mode mit Aussage: Sie erzählt von starken Frauen, Begegnungen mit Androiden, von Abhängigkeiten und der Suche nach Selbstbestimmung. Unterstützt wurde der Nachwuchs dabei von der renommierten Kuratorin Pia Witzmann. Mit der WZ sprach sie über die Kombi von Mode und Kunst.

Der belgische Jugendstil-Künstler Henry van de Velde hat mal behauptet: „Die Reformierung der Frauenkleider ist das letzte Feld, das der Kunst noch zu erobern bleibt.“ Kann Mode Kunst sein?

Witzmann: Das kann ich im Grunde bejahen. Sowohl Künstler als auch Modemacher brauchen Inspiration und Begabung für ihr kreatives Schaffen. Allerdings: Die Mode verfolgt einen Zweck, die Kunst in diesem Sinne nicht. Wenn man mal davon absieht, dass man auch mit ihr Geld verdienen will, muss. Ich habe gerade in London eine Ausstellung der Künstlerin Grace Wales Bonner gesehen, die beides wunderbar verbunden hat. Sie zeigt sowohl Kunst als auch Mode und dazu noch andere Künstler. Ihre Kreationen sind eine grandiose Mischung aus afrikanischer und westlicher Kultur.

Und wie gehen die jungen Modemacher in Düsseldorf an das Thema ran? Mischen sich hier auch die Kulturen?

Witzmann: Die sechs Absolventen des Design Departments haben dafür faszinierende Ansätze gefunden. Jede Kollektion besteht aus neun Kreationen. Eine Modeschülerin entdeckte eine japanische Familie, die denselben Familiennamen hat wie sie. Daraufhin kombinierte sie japanisches Design mit Stoffen aus dem Münsterland, woher sie stammt. Rote Pferdchen, bunte Püppchen ergeben eine spannende Mischung mit japanischen Mustern. Es gibt Anleihen bei Androiden und im Buddhismus.

Nun ist Austausch zwischen Mode und Kunst nicht neu und keine Einbahnstraße. Miuccia Prada arbeitet gern mit Motiven aus der Kunstwelt, das Schweizer Modelabel Akris ist bekannt für seine kunstvollen Kollektionen, der Japaner Issey Miyake hat Kunstwerke praktisch plissiert, sein Landsmann Yohi Yamamoto behauptet sogar, die Mode sei eine Analytikerin und Interpretin des Zeitgeistes.

Witzmann: Miuccia Prada ist ja selbst eine leidenschaftliche Kunstsammlerin. Die gegenseitige Inspiration funktioniert in vielerlei Richtungen. Ich kenne eine Künstlerin der Düsseldorfer Akademie, die Stoffe bedruckt und gerader eine Edition von Socken mit Katzenmotiven im Internet vermarktet.

Wer adelt da wen? Doch eher der Künstler die Marke als umgekehrt? Der US-Maler Alex Katz hat für H&M eine Kollektion entworfen, die parallel auf der Kunstmesse Art Basel in Miami gezeigt wurde. Kunst, Mode oder Marketing-Masche?

Witzmann: Da bin ich mir manchmal nicht so sicher. Das muss der Künstler dann schon selbst für sich entscheiden, wie weit er sich vermarktet. Aber wenn es nicht um reine Selbstdarstellung geht, ist es schon in Ordnung.

Renommierte Auktionshäuser wie das Dorotheum in Wien versteigern inzwischen Vintage-Mode für Summen, die den Neupreis weit übersteigen. Mode als begehrtes Sammelobjekt statt Altkleidersammlung? Hängen wir Kleider künftig nicht mehr in den Kleiderschrank, sondern an die Wand?

Witzmann: Vorstellbar ist das schon.

Doch letztendlich geht Kunst nach Brot, auch in der Mode. Welche Chancen räumen Sie dem Mode-Nachwuchs auf sich ständig veränderten Märkten ein? Haben sie es nicht ähnlich schwer wie junge Künstler?

Witzmann: Ich komme ja nicht aus der Modewelt, aber das kann gut sein. Allerdings haben junge Mode-Designer immer noch die Chance, fest für Firmen zu arbeiten, wobei sie dann deren Ideen und Ziele verwirklichen und ihre eigene Kreativität oft einschränken müssen. Eine Möglichkeit, die Künstler eher nicht haben. Jedenfalls nicht in ihrem ureigensten Betätigungsfeld.

Düsseldorf sieht sich gerne als Kunst- und Modestadt. Wie könnte man den Nachwuchs hier unterstützen?

Witzmann: Indem man ihm wie den Künstlern eine Plattform gibt. Ich könnte mir in Düsseldorf gut vorstellen, Ausstellungen mit jungen Mode-Designern zu machen, ähnlich wie die spektakuläre Präsentation in London. Auch zusammen mit Künstlern. Das wäre sicher spannend.

WZ: Wenn Mode ein Kulturfaktor und inzwischen museumsreif ist, müsste sie sich dann nicht auch einer Kulturkritik stellen? Bei den großen Schauen in Paris, Mailand oder New York werden Designer ja immer nur bejubelt, so gut wie nie kritisiert.

Witzmann: Ist das so? Da gab es doch mal diesen Film mit Meryl Streep: Der Teufel trägt Prada, da hatten doch alle Angst vor der Chefredakteurin.

WZ: In der Geschichte mit dem realen Vorbild der amerikanischen Vogue-Chefredakteurin bibberten vor allem deren Mitarbeiter. Die Designer buhlten um Aufmerksamkeit. Ist ja auch ein Geschäft mit der Eitelkeit. Haben Sie selbst auch schon mal Mode gemacht?

Witzmann: Nein, auf die Idee würde ich nicht kommen! Ich hab mich nur der Kunst verschrieben.

WZ: Aber der Umgang mit Kunst beeinflusst doch sicher auch den persönlichen Modestil? Ihre schwarzgrundige Bluse mit den farbigen Insekten sieht jedenfalls bildschön aus zu den roten Haaren.

Witzmann: Ich mache mir eigentlich gar nicht viel aus Mode. Die Bluse ist von H&M. Aber ich habe da noch so einen tollen Mantel von Armani. Den müsste ich mal wieder tragen.