Düsseldorf Die Foto-Collagen der Claudia Rogge
Im WZ-Gespräch spricht die Fotografin von der Angst der Betrachter gegenüber Bildern mit Massen.
Düsseldorf. Claudia Rogge (Jg. 1968) ist ruhiger geworden. Sie liebt nicht mehr den großen Schau-Effekt. Sie hat keinen Container mit blutigen Schweineköpfen mehr, die die Polizei auf Trab bringen. Sie muss auch nicht mehr mengenweise gegossene Kunststoff-Männer durch die Straßen fahren. Die Meisterin der Kommunikation braucht nicht länger das Volk, das ihr applaudieren soll. Dennoch will sie diese spektakuläre Phase nicht missen, wenn sie sagt: „Diese Aktionen haben mich schließlich zur Fotografie gebracht. Ich frage mich nun im Studio, wie eine Masse ästhetisch wirken kann.“
Ihre Kindsgesichter, Mädchen wie Porzellanfiguren von Käthe Kruse, sind auf alle Fälle schön. Sie wirken wie geklont und halten die Hände über dem Knie wie zum Gebet. Ein neuer Pietismus der Künstlerin? Sie lacht. Die Bilder stammen von 2004 und 2005, die knieenden Kinder sind letztlich nur ein Kind. Die Künstlerin erklärt: „Es war der erste Schritt, um Musterbilder herzustellen. Menschenmuster. Das Foto ist ja schließlich die Parade einer Menschenmasse. Nur ist es immer wieder dieselbe Figur.“ Bekannt ist ihr Foto mit dem multiplizierten Mädchen als Rückenbildnis, wobei die Kinderarme eine leichte Wunde haben. Sie meint: „Ich hätte den Schorf digital wegretuschieren können, aber er ist Teil der Komposition.“ Die Wunde wirkte bei der Entstehung des Bildes im Jahr 2004 komisch. Für Claudia Rogge war es etwas Besonderes.
Dennoch hat sich seit diesen ersten Kinderbildnissen viel in der Weltgeschichte geändert. Die Fotografin erklärt: „Die Menschen haben heute Angst vor Massenbildern. Meine Musterbildung interessiert sie weniger als die Gefahr vor Anschlägen. Das zeigt sich besonders gut in meinem Panorama der Prozessionszüge in Sevilla. Die Menschen in ihren schwarzen Kutten sind total schön. Aber heute behaupten Betrachter, der Anblick sei doch eher bedrohlich.“
Will man der Künstlerin glauben, so sehen die Betrachter ihre Kunst heute eher unter der politischen Brille. Claudia Rogge nennt es eine „Massenpsychose“. Ein Bild mit Menschen in Reihe und Glied ist für sie nicht mehr schön, sondern wird politisch interpretiert. Das sei schade.
Eine solche Ängstlichkeit wird auch dem Werk der Düsseldorfer Künstlerin nicht gerecht. Denn die Fotografin arbeitet gar nicht mit Massen, sondern pickt sich für ihre Aufnahmen im Studio jeweils nur eine Person heraus. Ihr Arbeitsvorgang: „Ich fotografiere diese Person, ungeschminkt, aber in besonderen Kleidern. Dann wird sie, in diesem Fall das Kind, ausgeschnitten beziehungsweise frei gestellt. Danach beginnt die Komposition.“ So hält sich ein Mädchen mit langem, hängendem, rotem Kleid die Augen zu. In der Masse ergibt sich ein Reigen von Kleidern, verdeckten Gesichtern und schwarzen Riemchen-Schuhen, die ein wunderschönes Ballett mit den Füßen aufzuführen scheinen.