NRW Faber legt einen melancholischen Auftritt hin

Düsseldorf · Bei seinem ersten Konzert auf dem New Fall Festival zeigten der Schweizer Sänger und seine Band, wie tanzbar Melancholie sein kann.

Faber bei seinem Auftritt auf dem New Fall Festival Düsseldorf.

Foto: Chiara Baluch

Am Ende liegt das Gefühl von Veränderung in der Luft. Eine Mischung aus Trotz, Rebellion und Entschlossenheit, gebündelt im Lied „Bella Ciao“. Italienische Partisanen sangen es im Zweiten Weltkrieg. Ein musikalischer Aufruf zum Widerstand gegen den Faschismus. Beim Düsseldorfer New Fall Festival wird die eingängige Melodie von fünf jungen Männern geschmettert, während sie eine letzte Runde durch den Ehrenhof drehen.

Zwei Stunden stand der Schweizer Sänger Faber mit seiner Band vorher auf der Bühne. Jetzt ist er mit dem Publikum auf Augenhöhe, fordert musikalisch ein finales Mal dazu auf, Stellung zu beziehen und Missstände nicht einfach hinzunehmen.

Nebelschwaden wabern über die kleine Bühne

Die Zuhörer stimmen begeistert mit ein. Die Welt können sie durch ihren Gesang wohl nicht verändern, aber dafür die letzten Augenblicke des Auftritts: Es bleibt ein Moment kollektiver Entschlossenheit. Das Gefühl, gemeinsam etwas bewegen zu können, auch wenn die Musik schon längst verstummt ist.

Zu Beginn des Konzertes ist von diesem Drang nach Veränderung noch nichts zu spüren. Nebelschwaden wabern über die kleine Bühne unter dem weißen Zelt, melancholisch heben sich Celloklänge in die Luft. Die Reibeisenstimme von Faber gesellt sich dazu, singt tief und schwer von der Sinnlosigkeit des Alltäglichen und bemühter Konformität: „Ich Hure wollte euch doch nur gefallen“, ist ein bitteres Bekenntnis am Ende des Refrains vom Lied „Highlight“.

Der Sänger setzt gerne solche textlichen Spitzen, ohne aber vulgär zu werden. Mit klaren Aussagen hält er der Gesellschaft den Spiegel vor. Eine Lösung für die Missstände liefert er dabei aber nicht. Auch am Ende von „Highlight“ steht nur die bittere Erkenntnis, dass die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Akzeptanz zu viel Raum im eigenen Leben einnimmt. Gleiches gilt für das nachfolgende Lied „Jung und dumm“. Frustriert gesteht Faber, die Welt verändern zu wollen, aber es nicht schaffen zu können. Seine Botschaft an frühere Generationen ist dabei denkbar trotzig: „Die Alten sagen ständig, wir seien jung und dumm. Doch besser jung und dumm als nur noch dumm.“ Musikalisch nimmt das Stück mehr Fahrt auf. Der Rhythmus ähnelt einer Polka und treibt unwiderstehlich an, Posaune und Keyboard bleiben jedoch bei melancholischen Melodien. So tanzbar kann Niedergeschlagenheit sein. Noch sitzen die Zuhörer auf den Stühlen, wippen mit dem Kopf und hören gebannt zu, wie Faber sein drittes großes Thema anreißt: Die Liebe.

Romantik weicht bei „Es könnte schöner sein“ ironischen Kommentaren und die Illusion der perfekten Liebe wird vom Sänger genüsslich auseinandergenommen. Ein Happy End gibt es für keinen in dieser Geschichte. Das gilt auch für die nachfolgenden Lieder. In tiefe Trauer versinkt das Publikum deswegen aber keineswegs. Das liegt an den bildstarken Texten, die nie beliebig wirken oder Phrasen transportieren – und nicht zuletzt an der hervorragenden Musik. Mal jazzig, mal bluesig, mal funky begleiten die Musiker Fabers Erzählungen. Die Liebe zum künstlerischen Detail ist dabei unüberhörbar, die Qualität der Beteiligten ebenso. Auch der Sänger selbst spielt mehr als passabel Gitarre.

Als Faber das erste Mal sein Instrument aus der Hand legt, greift er entspannt zum Weinglas und lässt sich von der Salonmusik seiner Band tragen. Dicke Regentropfen fallen aus der dunkelgrauen Wolkendecke, die über dem Ehrenhof hängt. „Das passiert irgendwie immer, wenn ich Wein trinke“, entschuldigt sich Faber, doch das Publikum nimmt den Schauer jubelnd in Empfang. Es ist die passende Kulisse für die sehnsuchts- und frustgetränkte Party, zu der der Sänger eingeladen hat. Spätestens beim Lied „Nichts“ hält es dann kaum jemanden mehr auf seinem Sitz. Überall im Ehrenhof tanzen Regenschirme und bunte Kapuzen auf und ab, was auch die Band sichtlich erleichtert. Die Musiker selbst stehen wenig später im Rampenlicht: Erst lässt Tillmann Ostendarp seine Posaune singen, dann Max Kämmerling die Gitarre. Zusammen spielt sich die Band regelrecht in einen Rausch, was Faber mit breitem Grinsen an der Seite der Bühne beobachtet. Überschwänglich tritt er wieder auf die Bühne und küsst Keyboarder Silvan Koch.

Ginge es nach ihm und den Zuschauern, hätte das Konzert so noch einige Stunden weitergehen können. Doch es bleibt nicht mehr viel Zeit, und die bekanntesten Songs müssen noch schnell gespielt werden. Egal ob „Sei ein Faber im Wind“ oder „Tausendfrankenlang“: Themen und Stimmungslage bleiben gleich, das Tempo aber zieht weiter an und gipfelt schließlich im rebellischen Schlussakkord „Bella Ciao“.

Es ist der ideale Abschluss des melancholischen Konzerts, denn er zeigt doch: Egal wie viel Sehnsucht und Frust den eigenen Blick auf das Leben beherrschen, handlungsunfähig ist man nie. Dieser Optimismus ist vielen Zuschauern deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie den Ehrenhof verlassen. Besser kann ein Konzert wohl kaum laufen.