Neues aus der Kunst in Düsseldorf Stilles Vergnügen mit Stellwand aus Glas

Düsseldorf · Die Kunstsammlung erinnert im K21 an den großen US-amerikanischen Künstler Sol LeWitt. Einer seiner Leitsätze: Pläne sind wichtiger als die Ausführung.

Ein Blick in die Ausstellung „Lines and Lines Sol LeWitt und Konrad Fischer“ im K 21.

Foto: L. Inconi/Linda Inconi

1967 verkündete der Amerikaner Sol LeWitt (1928–2007) seine Leitsätze zur konzeptuellen Kunst. Der Illusionismus der malerisch bearbeiteten Fläche war passé. Einfache dreidimensionale Geometrien setzten die Kunst auf ein rationales Fundament. Pläne seien nun wichtiger als die Ausführung, die der Künstler nicht mehr selbst erledigen müsse. Das beste Beispiel hängt derzeit im ersten Stockwerk von K  21.

Der Entwurf zu den „Modularen Wandstrukturen“ stammt von 1967. Die Galeristin Dorothee Fischer holte sich zwei Jahre vor dem Tod des Amerikaners und lange nach dem ihres Mannes die Erlaubnis vom Künstler, die Arbeit ausführen zu dürfen. 2005 ließ sie die Idee umsetzen. Das Ergebnis ist perfekt in Aluminium und eingebranntem weißen Lack realisiert. Ein Paradebeispiel für das, was die Minimalisten einst wollten. Die Arbeit ist eingebettet in eine interessante Lese­ausstellung der Kuratorin Maria Müller-Schareck aus dem Archiv von Dorothee und Konrad Fischer.

Januar 1968 präsentierte Konrad Fischer die Europapremiere

Wie schon mehrfach in diesen kleinen, feinen, bescheidenen Ausstellungen entpuppt sich das Fischer-Archiv als eine Fundgrube für die Kunst aus der Zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Es zeigt, wie man sich gegenseitig half und Beziehungen zu Dritten aufbaute. In diesem Fall war es Carl Andre, der den Kontakt zu seinem amerikanischen Kollegen herstellen musste.

Im Januar 1968 präsentierte Konrad Fischer die Europapremiere für Sol LeWitt. Sie wäre in dieser Karg­heit und in diesem Purismus heute nicht mehr möglich. Der Entwurf ist auf die Einladungskarte eines Kollegen gekritzelt. In der schmalen Tor­einfahrt an der Neubrückstraße standen lediglich fünf Kuben hintereinander. Für Besucher war da kaum Platz gelassen. Dennoch fing schon ein Jahr später das Museum Morsbroich Feuer und stellte den Puristen aus.

Den Titel der informativen Leseausstellung „Lines from Four Sides of Four Walls“ holte sich die Kuratorin von einer Fischer-Ausstellung aus dem Jahr 1975. Auf der damaligen Einladungskarte hielt Sol LeWitt fest, was da los war: „Gelbe, gerade Linien, ungefähr ein Meter parallel, sich nicht berührend, gleichmäßig verteilt, mit größter Dichte auf die ganze Wandfläche aufs Geratewohl gezeichnet. Linke Wand: Senkrechte Linien, rechte Wand waagerechte Linien.“

Eine gläserne Stellwand, in die unzählige Postkarten eingeklebt sind, ist ein stilles Vergnügen. Sie zeigt all die Stränge zwischen Wollen, Können, Geben und Nehmen. Es geht um unzählige Wünsche des Künstlers, die wie selbstverständlich erfüllt werden mussten. Dies geschah auf beinahe natürliche Weise, denn schließlich ging es um mehr als nur die jeweilige Ausstellung. Es ging um eine neue Kunst: Ideen sollten die Werke ersetzen, die Ausführung überließ man den Handwerkern. Die Wände wurden in Felder unterteilt, die Linien blieben anfangs ohne Farbe und wurden später in den Farben streng begrenzt. Das Raster war wichtiger als die Intuition, die Emotion des Betrachters nicht mehr gefragt. Das ethische und politische Moment, auf das man heute einen großen Wert legt, liegt außerhalb der Arbeit.

Gerade für Fans des Expressionismus und der Romantik war die Kunst Sol LeWitts ein radikaler Schritt, weg vom Gefühl und von jeglicher Spekulation auf Transzendenz. Dennoch tritt ein Kuriosum ein: Alles lässt sich rational auf Schritt und Tritt belegen. Dann aber erlebt der Betrachter im Angesicht der Stege ein wunderbares Spiel aus Licht und Schatten, das er mit seinen Bewegungen immer auch selbst auslöst.