Herr Lange, wie fühlt sich das Ensemble nach der Absage der Premiere?
Interview „Das Theater bietet in diesen Zeiten noch die Einmaligkeit“
Düsseldorf · Interview Florian Lange spielt eine der Hauptrollen in „Ein Traumspiel“ am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Vor dreieinhalb Jahren kam Florian Lange an den Rhein. Zuvor, von 2008 bis 2016, gehörte er — 1974 in Gräfelfing bei München geboren – in Essen und Bochum zu den herausragenden Schauspielern. Und begeisterte als Peer Gynt und Woyzeck Publikum und Kritiker. Seit 2016 in Düsseldorf überwiegen ernste Rollen. So ist er als Gerichtsrat (in „Hexenjagd), als Erzbischof Winchester (in „Henry VI.) oder als Volkstribun (in „Coriolan“) für Theaterbesucher kein Unbekannter. Ebenfalls als Autor des neuen Stücks „Cyborg oder das Lachen des Hamsters“, das im „Unterhaus“ aufgeführt wird.
Auf den ersten Blick fällt Florian Lange nicht auf. Er ist eher ein zurückhaltender, ruhig nachdenklicher Typ. Aber starke Präsenz und innere Tiefe – das sind seine Markenzeichen. Inhalte und Gedanken, die sich in Theaterstücken verbergen, interessieren ihn mehr als nur die Figuren, die er verkörpern muss. Das gilt auch für eine der drei Hauptrollen in „Ein Traumspiel“ von August Strindberg, das ursprünglich heute im Großen Haus Premiere feiern sollte. Mit Lange als Offizier inszeniert Andreas Kriegenburg das heute nur selten aufgeführte Kammerspiel von 1906, das auch die Zuschauer auf irrationale Wege und Irrwege von Träumen entführen kann. Doch die Schließung auch des Schauspielhauses (bis mindestens Anfang April) machte einen Strich durch die Planung.
Florian Lange: Es ist nicht schön, eine Premiere abzusagen. Das gilt natürlich auch für die Premiere von „Traumspiel“, da man als Schauspieler und als Team natürlich auf einen Premieren-Termin hinarbeitet. Dennoch versuchen wir sehr gelassen mit der Situation umzugehen und haben uns entschlossen weiter zu proben. Natürlich wird die Premiere nachgeholt. Sobald der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, wird zeitnah ein Datum festgelegt.
Und Sie persönlich?
Lange: Ich fühle mich nicht stark verunsichert, da wir auch seitens des Theater-Arztes eine umfassende Aufklärung erhalten haben. Ich denke, das Wichtigste ist jetzt ruhige Besonnenheit, dass man die entsprechenden Maßnahmen ergreift und vor allem versucht, die Ausbreitung zu verlangsamen.
Das Stück selbst erzählt die Geschichte um Agnes, die Tochter des indischen Gottes Indra, die aus Mitleid zu den Menschen hinab auf die Erde steigt, um die Möglichkeiten menschlicher Existenz zu erkunden. Wie kamen Sie zu der Rolle des Offiziers?
Lange: Einfach zu inszenieren ist das Stück nicht, da es keine klaren Handlungsstränge gibt. Den Ausschlag für meine Bewerbung um die Rolle gab: Ich wollte gerne mit Andreas Kriegenburg arbeiten. Ich habe viel von seinen Regietaten (in Theater und Oper) gehört. Und da es Kriegenburgs persönliches Anliegen war, das „Traumspiel“ zu inszenieren, fand ich das eine tolle Voraussetzung und war sehr gespannt.
Wie liefen die Proben?
Lange: Sehen Sie, wir erzählen einen Traum. Der springt eben hin und her, ganz beliebig, folgt keiner schlüssigen Dramaturgie. Wir suchten nach Wegen, dass Zuschauer mit in diese Traum-(Un-)Logik einsteigt, dass er in eine Welt eintaucht, in der er sich auch verlieren und verirren kann.
Und der Offizier?
Lange: Auch er kommt nicht aus dem Kreislauf heraus. Es ist hoffnungslos für ihn. Doch auch wenn es scheinbar keinen Ausweg gibt, geht er dennoch los. Es ist wie Leben: Der Mensch muss trotzdem sein Glück versuchen. Demjenigen, der Hoffnung hat, macht es nichts aus, er gibt nicht auf. Selbst wenn das Prinzip Hoffnung in Frage gestellt wird.
Wie liefen die Proben?
Lange: Wir haben viel über Träume und deren Symbole und Chiffren der Traumdeutung gesprochen. Und darüber, wie man sich in einem Traum verhält. Wir haben dabei einen Raum geschaffen, der offen ist für die Assoziationen der Zuschauer.
Wie sind Sie denn zum Theater gekommen?
Lange: Theater hat mit unserer Gesellschaft zu tun und ist für mich eine ernstzunehmende Veranstaltung. Das heißt nicht, dass es immer bierernst sein muss. Gerade in Zeiten von Internet und endloser Wiederholbarkeit bietet Theater die Einmaligkeit. Deshalb würde ich heute ins Theater gehen, wenn ich nicht Schauspieler wäre. Schon früh, als Waldorf-Schüler, wollte ich den Beruf zu ergreifen, weil man in einer Rolle andere Perspektiven einnimmt und dadurch seine Sichtweisen erweitern kann.
Und Ihre Eltern?
Lange: Sie waren einverstanden, wollten aber, dass ich vorher einen „ordentlichen“ Beruf erlerne. So habe ich nach dem Abitur eine Lehre als Industriemechaniker absolviert. Mit Anfang 20 ging ich dann zur Schauspielschule nach Frankfurt.
Hat die Mechaniker-Ausbildung Spuren bei Ihnen hinterlassen?
Lange: Ja, sie hat mir als Schauspieler geholfen, diszipliniert auf einen Termin zuzuarbeiten.
Sie haben bereits in Essen und Bochum mit Top-Regisseuren gearbeitet, wie David Bösch und Roger Vontobel, die auch hier inszenieren. Welche Bedeutung haben sie für Sie?
Lange: Eine große. Denn ich glaube an langfristige berufliche Beziehungen. Und bin froh, dass ich, wie vorher im Ruhrgebiet, mit Bösch (in „Henry VI.“) und Vontobel (in „Hamlet“) arbeiten konnte. Auch deswegen reizte es mich, ab 2016 mit dem Team von Wilfried Schulz einen Neustart in Düsseldorf zu wagen. Obwohl ich nach meiner Bochumer Zeit NRW verlassen und mich in einem Theater in einem anderen Bundesland bewerben wollte.