Literarische Neuerscheinung Paarreime über die Tiere
Der Düsseldorfer Schriftsteller Otto Vowinckel hat in Paarreimen ein echtes Bestiarium geschrieben – mit Tieren von A bis Z.
Manchmal müssen Schriftsteller – Dichter zumal – ein bisschen verrückt sein. Denn wer sich über die Welt in Versen auslässt, hat schon ein bisschen Distanz zur vermeintlichen Wirklichkeit eingenommen. Eine solche Randlage macht es wiederum auch möglich, Dinge zu sehen, die vielen schlichtweg verwehrt bleiben. Das muss ja nicht gleich tieftraurig sein, und der Düsseldorfer Dichter Otto Vowinckel zeigt in seinem neuen Buch, dass gereimte Betrachtungen über Gottes tierische Schöpfung witzig, mitunter albern, und dabei immer wieder auch tiefsinnig sein können.
Schon mit dem dezent verstörenden Titel beginnt es: „Tiere, die Gedichte lieben“ – und findet seine irritierende Fortsetzung im Untertitel, wenn dort von einem „Bestiarium“ die Rede ist, was uns an enzyklopädische Vorhaben des 19. Jahrhunderts erinnert. Worum geht es? Zunächst einmal um Otto Vowinckels offenbar grenzenlose Liebe zu Tieren sowie um seine Beschäftigung mit ihnen. Ja, er bewundert sie, sagt er, und kommt dabei zur erstaunlichen Entdeckung, dass diese Tiere Dichtung lieben. Das zeugt von einer gewissen und ungeahnten literarischen Domestizierung der Wildnis um uns herum.
Dichter erfindet
das sogenannte X-Tier
Und so funktioniert das Ganze: Der Dichter knöpft sich von A bis Z alle möglichen Vertreter der Fauna vor und dichtet mit Ihnen und über sie in erbarmungslosen Paarreimen. Das ist in vielen Fällen, so muss man es sagen, saukomisch. Und manchmal ist es eben auch nachdenklich, wenn am Ende und schon auf dem Klappentext ein ebenfalls gereimter Vermerk zu lesen ist, dass nämlich der Mensch der Täter des Artensterbens ist und in dieser Form auch ein Massenmörder, der sich dadurch am Ende seiner eigenen Lebenswelt beraubt.
Natürlich gibt es ein paar problematische Buchstaben für den Dichter, und man ahnt, dass manches Lexikon dafür gewälzt wurde, um alphabetisch lückenlos zu bleiben. Unmöglich aber wurde es Vowinckel offenkundig beim drittletzten Buchstaben, also dem X. Ein Dichter wäre nun kein Dichter, würde ihm nicht auch dazu noch etwas in den Sinn kommen; und so erfand der Düsseldorfer Schriftsteller kurzerhand und mit viel Überzeugungskraft das sogenannte X-Tier. Das kannten wir bisher nicht, aber da es jetzt dichterisch in die Welt gekommen ist, sind wir doch froh, dass es existiert. Und weil auch Otto Vowinckel mächtig viel Freude an seiner eignen Wort-Tier-Schöpfung hatte, gibt es das Wesen gleich zweimal – also X-Tier 1 und X-Tier 2.
Ansonsten erfahren wie jede Menge von Affe bis Zebra, von Eule bis Qualle und Jaguar bis Vielfraß; sowohl etwas über ihre Lebensumstände als auch über ihre lyrischen Vorlieben. Und mittendrin ist oft der Dichter selbst, quasi der Eckermann für alles, was fleucht und kreucht auf dieser Welt.
Weil das alles recht unglaublich ist, war es gut, dass ihm der Illustrator Tilmann Diederich leichtfedrig zur Seite stand und viele Begegnungen von Tier und Dichter zeichnend festgehalten hat. Da haben wir also die Beweise!
Wer eine Neigung und Vorliebe für feinsinnigen Blödsinn hat und dazu noch Spaß am klugen Wort, der sollte sich das Bestiarium besser nicht entgehen lassen. Zumal auch der eine oder die andere auf den Gedanken kommen könnte, einem Tier seiner Wahl eine lyrische Neigung anzudichten. Vielleicht bietet sich sogar ein Haustier an. So tauchen erstaunlicherweise in der alphabetischen Liste weder Hund noch Katze auf.