Düsseldorfer in Salzburg gefeiert

Koproduktion des Dramas „Hinkemann“ feiert bei den Festspielen erfolgreich Premiere.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Am Ende hängt sich der „Hinkemann“ auf - am Seil eines Karussells, auf einem Jahrmarkt. Denn der Titelfigur des gleichnamigen Dramas von Ernst Toller wurden im Ersten Weltkrieg die Genitalien weggeschossen.

Er leidet daran, dass er zum „Krüppel“ wurde, kann nicht verstehen, dass sich die Gesellschaft, für die er in den Krieg gezogen ist, nicht um ihn kümmert. Er fühlt sich nicht mehr als Mann und hat mit der Welt abgeschlossen, zumal sich kurz vorher seine Frau Grete in den Tod gestürzt hat.

Verzweiflung, Anklage und lautstarke Sozialkritik - all’ das findet sich in dem Kriegsheimkehrer-Stück von 1922 wieder, das jetzt bei den Salzburger Festspielen Premiere feierte. Nicht bejubelt (das war bei dem ernsten Sujet kaum zu erwarten), aber doch gefeiert wurden die Darsteller aus dem Düsseldorfer Ensemble; denn es ist eine Koproduktion mit dem Schauspielhaus, die noch von Ex-Intendant Staffan Valdemar Holm in die Wege geleitet wurde.

Holm kam nicht, dafür der Interims-Intendant Günter Beelitz und seine Frau, die brav applaudierten. Einer Pflichtübung kam das eher gleich. Eine große Premierenfeier war nicht organisiert worden, die jungen Mimen feierten ihr Salzburg-Debüt danach in kleinem Kreis.

Zu Holms internationalem Konzept passt die Inszenierung, die am 19. September die Saison am Gründgens-Platz Saison eröffnen wird - besonders wegen des Regisseurs Milos Lolic. Der 35-jährige Serbe, der 2013 in Wien mit dem Nestroy-Preis für die beste Nachwuchsregie (am Wiener Volkstheater) ausgezeichnet wurde. Deshalb gab dem in Belgrad geborenen Theatermacher wohl auch die Salzburger Jury unter Festival-Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf eine Chance.

Zumal „Hinkemann“ - zu sehen im Rahmen des „Young Directors’ Project“ - auch zum diesjährigen Gedenken der Festspiele an den Beginn und die Folgen des Ersten Weltkriegs passt. Allerdings ist dieser Dreiakter eine expressionistische Tragödie, voll von politischen Appellen und sozialen Utopien, die in den Verhältnissen der Nachkriegszeit der 20er Jahre verankert sind. Und an solch einem Projekt können selbst versierte ‚Theaterhasen’ scheitern.

Gescheitert ist Lolic nicht, aber so richtig gepackt waren die Zuschauer nicht, auch die Darsteller fanden kaum einen eigenen Ernst-Toller. Bis auf Titelheld Jonas Anders. Der warf sich mit voller Wucht in das expressionistische Abenteuer, wirkte aber wie ein moderner Mensch, der sein Leiden stellvertretend für eine Gesellschaft deutet, die existenziell bedroht ist - und erbarmungslos mit denen umgeht, die sich im Krieg haben zum „Krüppel“ schießenlassen.

Stark wirken die Szenen, in denen Hinkemann mit einem Panoptikum aus Philosophen und Revoluzzern über eine bessere Welt sinniert. Positiv auch: Lolic setzt auf Tempo, in 90 Minuten zieht das Antikriegs-Trauerspiel vorüber.

„Ich hab Dich lieb“, flüstert Eugen Hinkemann zu seiner Grete. „Ich bin keinen Mann mehr, sondern ein Eunuch“ gesteht er und ist gerührt, dass ihm seine Frau die Treue hält. Vorerst. Denn schon lauert sein bester Freund Paul auf eine Gelegenheit, einen schwachen Moment auszunutzen.

Den bekommt er schnell. Wo? Auf dem Rummelplatz. Denn das ist, für Hinkemann, die Welt, die nach dem Krieg übriggeblieben ist. Doch ist es für Hinkemann weniger eine Demütigung, dass ein anderer seine Frau besitzt. Zutiefst verletzt fühlt er sich durch den Spott der anderen, die über sein Leiden laut lachen.