Als in Düsseldorf noch der Punk abging

DAF, die Krupps, der Plan — Richard Gleim hatte sie alle vor der Linse, eine Schau präsentiert seine Fotos.

Foto: Richard Gleim

Düsseldorf. Der Neue sah aus wie jemand, der nerven könnte. Lange Haare, Bart, ordentlich Bauch und immer eine Kamera dabei. Drei Monate nach seinem ersten Auftauchen im Ratinger Hof hatte Richard Gleim sie jedoch alle im Sack.

Foto: Richard Gleim

Er wurde zum Chronisten einer Subkultur, die ab Ende der 70er Jahre von Düsseldorf aus deutsche Musikgeschichte schrieb. Diese muntere Szene kam direkt aus dem Herzen des Punk, und war in den frühen 80er Jahren auf dem Sprung in Richtung Rock, Pop und Elektro.

Foto: Richard Gleim

Gleim fotografierte DAF und ZK, die Krupps und Fehlfarben, Male und KFC und überhaupt jeden, der sich in dem Dunstkreis der Bands herumtrieb. Damals, als Musiker noch keine Künstler sein wollten, weil ihnen diese Klassifizierung viel zu affektiert erschien, sind die meisten seiner rund 20 000 Musikfotos entstanden. Eine Auswahl ist aktuell in der Buchhandlung Bibabuze zu sehen.

Foto: Richard Gleim

„Ich brauchte für einen Filmdreh eine Videokamera und habe im Ratinger Hof nachgefragt“, erinnert sich Gleim an seine ersten Aufenthalte dort. „Der Hof war eine Börse für alles, nach einer Viertelstunde hatte ich das Ding.“ Und bald auch das Ansehen der Musiker, Künstler, Normalos und Akademieprofessoren, die sich in dem legendären Club die Zeit vertreiben.

Foto: Richard Gleim

39 Jahre alt ist Gleim, als er in die Hof-Familie aufgenommen wird. Seinen Job in einem Düsseldorfer Gartencenter hat er längst satt, so wie er eigentlich alles satt hat.„Die Kids im Ratinger Hof waren zwischen 15 und 22 Jahre alt. Sie waren nicht gegen etwas, sondern machten einfach. Ich war fasziniert davon, mit welcher Rotzigkeit diese jungen Musiker loslegten und dachte: Das muss jemand festhalten. Das ist bald vorbei.“

Foto: Richard Gleim

Gleim kündigt und beginnt von seinen Fotos zu leben. Nicht planmäßig, sondern weil es sich so ergibt. „Wenn ich in den Ratinger Hof ging, hatte ich immer Fotos dabei.“ Er legt die 18 x 24 Zentimeter großen Abzüge auf die Theke und braucht nur noch zu warten. „Die Leute haben sich auf den Fotos wiederentdeckt und wollten sie haben.“

Gleim verkauft pro Abend 20 bis 50 Fotos für fünf Mark das Stück. Er begleitet Bands ins Tonstudio, auf Ausflügen und zu Festivals. Gleim gehört einem Tross an, der keinen Unterschied macht zwischen Publikum, Fan und Musiker. Als die Band Die Ärzte 1982 an der Akademiestraße im Club „DINA 0“, dem heutigen Miles Smiles, spielt, steht der 18 Jahre alte Kuddel, Gitarrist der Toten Hosen, in der ersten Reihe. Bei einem Konzert von DAF im Juni 1981 in der Philipshalle, feiern zahlreiche Besucher mit der Band auf der Bühne.

Heute wäre so viel Nähe undenkbar. Aber sie kamen ja alle aus einem Stall, in dem man einander respektierte. „Der Ratinger Hof“, sagt Richard Gleim, „war der toleranteste Schuppen, den man sich vorstellen kann.“