Thorsten Nagelschmidt im Zakk Lauschiger Abend zum Auftakt der Literaturtage
Düsseldorf · Der Autor war erster Gast nach der Corona-Pause.
Die Bänke im Biergarten im Zakk sind nur locker besetzt bei der ersten Lesung nach der Corona-Pause: Düsseldorfer Literaturtage, die Zehnten. Groß feiern geht nicht, dafür Zuhören im kleineren Kreis. Nur nach Anmeldung. Es war rasch ausverkauft.
Der Abend ist lau, die Literatur bildenden Neonbuchstaben schimmern blau, dahinter klettern Efeu und wilder Wein die Wand hoch. Thomas Nagelschmidt (erster Auftritt vor Publikum seit November) hat für so was schöne Beschreibungen in seinem Buch „Arbeit“ gefunden: Sein Himmel über Berlin schimmert wie ein Batikbuch, bei ihm sind Engel Experten ohne Erfahrung. Dann wird’s auch schon mal krass, wie Berlin eben ist, Hundescheisse, Rattenpisse – der Leser, erst recht der Zuhörer schnuppert förmlich Nagelschmidts in wilden Worten ausgeatmete Berliner Luft. Das Ergebnis wurde schon als „erster großer Berlin-Roman des 21. Jahrhunderts“ beschrieben.
Als Münsterländer meidet der Autor – auch in Übereinstimmung mit seinem Lektor, wie er erzählt – bewusst die Mundart der Berliner Schnauze und verlässt sich ganz und gut auf seine eigene Art. Wobei die Stadt über- und unterirdisch, ihre Straßen und Clubs und vor allem ihre schrägen Typen (die Harmlosen, die Schamlosen und die Zahnlosen zum Beispiel) nichts von ihrer Saftigkeit und Heftigkeit einbüßen müssen.
Der Autor warnt uns, dass wir wie er, angelockt von fetten Rave-Klängen, nicht am Türsteher des angesagten Clubs vorbeikommen. Macht nichts. Es zieht uns trotzdem rein, tief in die Szene, in ein Kreuzberger Hostel, in die Nachtschicht von Rettungssanitätern auf dem Weg zu „männlich, sieben Jahre, Fieber, Erbrechen“. Das Kapitel über den afrikanischen Flüchtling Moussa besteht aus zwei Sätzen. Der erste ist eine Warnung an einen jungen Flüchtling und Dealer aus Afrika, der interviewt werden soll: Erzähl ihm nichts! Im zweiten Satz erzählt Schnellleser Nagelschmidt über acht Seiten dann ganz viel über ein Leben zwischen Guinea, Kamp-Lintfort und Berlin. Alles andere als nichtssagend.
Die Lesung darf nur eine Stunde dauern. Der Signiertisch ist nur spärlich bestückt, das Bücherpaket in diesen Zeiten nicht rechtzeitig angekommen. Ein spontaner Rundruf in Düsseldorfer Buchhandlungen zeigte, dass auch die „Arbeit“ von Thorsten Nagelschmidt noch nicht richtig angekommen ist in den Regalen. Dafür umso besser in einigen Köpfen an einem im doppelten Wortsinne lauschigen Sommerabend.
Wie denn jetzt der Tourauftakt (nach Düsseldorf liest Nagelschmidt noch zweimal in Berlin) für ihn gewesen wäre, wollte ein Zuhörer wissen. „War schön“, meint der Autor. Und jetzt hätte er noch total Bock auf Rumhängen. Geht doch!